Projekt "LehmZiegelStadt"

oder "Ohne den Lehm daat's München net geb'n!"

 

Im Jahr 2008 wird München 850 Jahre seines Bestehens feiern. Das vom städtischen Kulturreferat verkündete Motto des Stadtjubiläums  heißt: "Brücken und Tore zur Stadt".

 

München ist ja als Brückenort mit Markt- und Münzrecht entstanden, und dafür musste erst die Brücke bei Oberföhring und dessen Marktprivilegien des Bischofs von Freising beseitigt werden. Also auch bei der "Gründung" Münchens selbst spielt sich zumindest das negative Geschehen im Bereich des jetzigen Stadtbezirks 13 Bogenhausen ab.

 

Viel bedeutsamer in all den Jahrhunderten seit dem späten Mittelalter wurde aber die Tatsache, dass des Wachstum der Stadt verbunden war mit umfangreichen Steinbauten sowohl im öffentlichen wie im privaten Bereich. So mussten nicht nur Stadtmauern, Stadttore und Wehranlagen, Kirchen und Rathaus, sondern auch - zum Brandschutz - private Gebäude innerhalb der Stadt aus Stein erbaut und mit Ziegeln gedeckt werden. Der Bedarf an Ziegeln wuchs mit dem Wachstum der Stadt im 19. Jahrhundert ins Unermessliche.

 

Eine Voraussetzung für dieses Wachstum war das große Lehmvorkommen auf der östlichen Isarterrasse zwischen Ismaning im Norden und Giesing im Süden. Dieses Überbleibsel der Ausschwemmungen nach der letzten Eiszeit bildet in diesem Raum eine Lehmzunge von etwa 20 km Länge und 1 - 2,5 km Breite bei einer Mächtigkeit der Lehmschicht von ca. 2-3 Metern. Lehmverarbeitung in Ziegelbau und Keramik ist im Süddonauraum seit der Kelten- und Römerzeit, also seit über 2500 Jahren, als grundlegende Kulturtechnik geläufig. Ein so umfangreicher Lehmvorrat in der Nähe einer städti-schen Siedlung deckte auf Jahrhunderte deren Bedarf am hauptsächlichen Baumaterial. Also ist der Satz wohl durchaus richtig: "Ohne den Lehm daat's München net geb'n!" In Form von Millionen und Abermillionen von Ziegelsteinen und Dachziegeln aller Art wechselte er von einer Isarseite zur anderen.

 

Die ersten Ziegelgruben und Trockenstädel standen wohl im stadtnahen Haidhausen, aber schon im Barock gab es sie auch am Priel bei Oberföhring und in Berg am Laim, bis der sprunghaft steigende Ziegelbedarf im 19. Jahrhundert die Erschließung der Lehmvorräte weiter von der Stadt entfernter Gebiete notwendig machte: Ramersdorf, Giesing, Bogenhausen, Steinhausen, Denning, Englschalking, Johanneskirchen, Oberföhring... Die Ausweitung der Produktion war schließlich nur mit italienischen Wanderarbeitern vom Fach aus dem Friaul und der Gegend von Bergamo und mit der Ablösung der Handarbeit durch Maschinen, des Handstrichverfahrens und Feldbrands durch Strangpresse und Ringöfen, zu bewerkstelligen.

 

Über die Entwicklung der Ziegeleien im Münchner Nordosten hat grundlegend der Schulmann und Heimatforscher Fritz Lutz in verschiedenen Publikationen gearbeitet, insbesondere: "Aus der Vergangenheit des Priel bei München Bogenhausen“; Selbstverlag, München 1991.

 

In jüngerer Zeit war diese Thematik wichtiger Gegenstand von Stadtteilbüchern über den Münchner Osten so durch Georg Mooseder in "125 Jahre Ramersdorf bei München", hrsg. vom Festausschuss, München 1989, in dem Geschichtsbuch des Münchner Nordostens "Dörfer auf dem Ziegelland. Daglfing - Denning - Englschalking - Johanneskirchen - Zamdorf", hrsg. von Willibald Karl, mit Beiträgen von Karin Bernst, Ilse und Herbert Feldmann, Klaus Fischer und Roland Krack, München 2002 und in dem jüngst erschienen neuen Berg-am-Laim-Buch von Christl Knauer-Nothaft und Erisch Kasberger (Volk-Verlag. München 2006).

 

Das neue Projekt "LehmZiegelStadt" strebt anlässlich der 850-Jahr-Feier Münchens eine Gesamtdarstellung der Lehmverarbeitung und des Ziegeleiwesen im Münchner Osten an. Dabei gilt es sowohl örtliche Forschungslücken zu schließen, als auch bisher vernachlässigte Aspekte deutlicher herauszuarbeiten. Zu letzteren gehören die Beschreibung der geologisch-erdgeschichtlichen und chemischen Grundtatsachen und der handwerklich-technischen Verfahren der Lehmbearbeitung und Ziegelherstellung, aber auch die sozial- und kulturgeschichtliche Darstellung des Wanderarbeiterwesens von der Mitte des 19. über die Mitte des 20. Jahrhunderts hinaus, insbesondere auch im Hinblick auf Frühformen der Integration und Subkultur. Und last but not least eine dokumentarische Bestandsaufnahme von bedeutenden Ziegelbauten im öffentlichen und privaten Bereich der Landeshauptstadt München als Beitrag zur Münchner Bau- und Kulturgeschichte.

 

Wünschenswert zur Darstellung dieses Vorhabens sind mehrere Ausstellungen in den Stadtbezirken des Münchner Osten in Zusammenarbeit mit den Bezirksausschüssen 12 (Haidhausen), 13 (Bogenhausen), 14 (Berg am Laim), 16 (Ramersdorf-Perlach) und ggf. 17 (Obergiesing) und den örtlichen Kulturvereinen und Geschichtsarbeitskreisen "Nord-Ost-Kultur" e.V., Haidhausen-Museum,. Bürgerkreis Berg am Laim, Geschichtsarbeitskreis Ramersdorf und etwa den "Freunden Giesings" e.V. Die Koordination dieses Projekt sollte wieder bei der Münchner Volkshochschule - Stadtbereich Ost liegen, wie sie sich in vergleichbaren Fällen bereits mehrfach bewährt hat.

 

Besonders wünschenswert ist eine Fotodokumentation "Bedeutender Ziegelbauten in München" etwa ins Zusammenarbeit mit entsprechenden Lehrstühlen Münchner Hochschulen und dem "Projekt Fotografie" der Münchner Volkshochschule möglichst im Kulturzentrum am Gasteig. Ziel ist weiterhin, eine gemeinsame schriftliche Publikation als Begleitbuch für die Ausstellungen und als Dokumentation darüber hinaus zu erstellen.

 

Aus dem Kooperationsverbund soll ferner ein Begleitprogramm mit Führungen, Demonstrationen - etwa "Feldbrand-Ziegelherstellung" im Ökologischen Bildungszentrum -, Besichtigungen von Ziegeleien, Vorträgen und Aktionen als Beitrag der Stadtbezirke zum Jubiläumsprogramm in der Landeshauptstadt München entwickelt werden.

 

Das Sammeln von Material für dieses Projekt und die Herstellung von Kontakten zu Zeitzeugen, Interessenten, Helfern, Sponsoren (alle auch in ihrer weiblichen Form) hat begonnen. Auch die ins Auge gefassten "Erzähl-Cafés" des Nord-Ost-Kulturvereins sind Bausteine auf dem Weg zur Verwirklichung des Stadtjubiläums-Projekts "Ohne den Lehm daat's München net geb'n!"

 

 

Kontakt:

Dr. Willibald Karl

E-Mail: catstone_carl@hotmail.com

Tel. 08153 / 1063