Mit der Errichtung der Bahnstrecke von München nach Ismaning erhielt Daglfing auch ein Bahnwärterhaus (Dienstwohngebäude, Hausnummer 23). Bewohnt wurde das im Jahr 1906 erbaute Haus 1929 vom Stationsdiener Ludwig Häußner und dem Zimmermann Anton Schatz. Im Stationsgebäude der Daglfinger Haltestelle (von 1909) waren ein Dienst- und Warteraum, eine Ladehalle und ein öffentlicher Abort untergebracht. Das Daglfinger Stationsgebäude und das dazugehörige Schrankenwärterhäuschen an der Ludwig-Brück-Straße hat man inzwischen längst abgebrochen. Über die Gebäude des Schrankenwärterhäuschens erfuhr man 1988 in einem Zeitungsartikel Näheres:

 

»Vor einigen Monaten hatte die Bahn Auftrag gegeben, das ausgediente Schrankenwärterhäuschen abzureißen. Auf halbem Weg blieb die Arbeit liegen. Wie es heißt, mussten die Aktivitäten vorübergehend eingestellt werden, weil eine andere Tiefbaumaßnahme Vorrang hatte. doch auch danach rührte sich nichts mehr.«

 

Nicht nur diese Ruine wurde im Artikel erwähnt, sondern auch das nächstgelegene, ruinöse Anwesen an der Ecke Daglfinger/Tarnowitzer Straße. Es handelt sich um die ehemalige, seit Jahren dem Verfall preisgegebene Daglfinger Bahnhofswirtschaft. Bei dem seit einiger Zeit unbewohnten Gebäude waren die Fensterscheiben und Türen zerschlagen und der Dachstuhl nach einem Brand im Obergeschoss 1987 zerstört. Bei einer Ortsbesichtigung im Juli 1986 bewohnten noch Gastarbeiter das Haus. Ein Rattenbefall konnte bei einer späteren Besichtigung nicht festgestellt werden. Doch um spielende Kinder und »Penner«, die hier übernachteten, fernzuhalten, sollte wenigstens ein Zaun den Zutritt zum Haus verhindern.

 

Die Bierwirtschaft in der neuen Kolonie an der Daglfinger Straße ließen sich Karl und Maria Wehlau durch den Architekten Karl Högel 1928 errichten. Im Keller befanden sich verschiedene Vorratsräume, der Parteienkeller und eine Waschküche; im Erdgeschoss die Aborte, eine Gassenschenke (»Verkauf von Getränken zur Straße«), die Küche, die Schenke und zwei Gasträume; im ersten und zweiten Stock befanden sich jeweils zwei Wohnungen und im Flur ein WC. Karl Wehlau verpachtete die Gaststätte bis 1930; es kam zur Ersteigerung durch Anton Bartl, der schon vorher in München (Gallmayrstraße) eine Schwankwirtschaft betrieb. Um 1949 ließ Anton Bartl an das Gaststättengebäude einen einstöckigen Anbau für eine Metzgerei mit Wurstküche errichten. Der Sohn übernahm in den 1950er-jahren die Wirtschaft, er überließ sie mehrmals, fast jährlich, wechselnden Pächtern. der Umbau der Gaststätte 1977 in eine Disco wurde nicht genehmigt – wegen mangelnden Schallschutzes und ungenügender Anzahl von Parkplätzen.

 

Hinter dem Gasthaus errichtete man um 1930 eine Kegelbahn, daran angebaut eine Garage und einen Stall. Im Kopfbau über dem Stall befand sich zudem eine über eine schmale eiserne Außentreppe erreichbare Wohnung. Die Wohnung bestand aus: Wohnküche und Schlafzimmer, zur Toilette mussten die Mieter in die Gaststätte gehen. die Kegelbahn benützte die Schützengesellschaft »Hirschbergschützen« für Schießübungen mit Kleinkalibergewehren und ab den 1950er-Jahren die Familie Bartl zur Schweinehaltung. Der Antrag aus dem Jahr 1953 zum Betrieb einer Schweinemästerei auf dem Gelände der Wirtschaft konnte aber nicht bewilligt werden, da durch Lage, Art, Einrichtung und Umfang der Tierhaltung in absehbarer Zeit mit einer erheblichen Belästigung der Umgebung gerechnet werden musste. Der Belassung des seinerzeit vorhandenen Tierbestandes von 25 Schweinen und 15 Hühnern stimmte man nur in stets widerruflicher Weise zu. Doch bei einer Überprüfung 1954 wurde festgestellt, dass der Besitzer dennoch die Tierhaltung erheblich vergrößert hatte.

 

 

 

 

Die frühere Kegelbahn (Rückgebäude) wurde dann 1960 durch den damaligen Mieter, den Schreiner Veit Griffl, der seine Schreinerei nebenan, an der Tarnowitzer Straße hatte, umgebaut: das Gebäude wurde verbreitert, und es entstanden sechs Schlafräume, ein WC und drei Lagerräume. Die Rückgebäude (ehemalige Kegelbahn, Garagen) wurden Anfang der 1980er-Jahre abgebrochen, die Gaststätte mit der Metzgerei erst 1990. 1987 interessierte sich die »Bürgerinitiative Daglfing« nicht nur für die versprochene Über- oder Unterführung der Bahnlinie, sondern auch für das verwahrloste Anwesen, den »Schandfleck Daglfinger Straße 56«.

 

 

 

 

 

 

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Textquelle:

Karin Bernst, aus: Kalender 2018: »Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten«, München 2018.

 

Fotos von oben nach unten: