Als ich in den 1950er-Jahren in die Schule an der Ostpreußenstraße ging, türmten sich riesige Kohlenhalden gegenüber der Schule auf dem Grundstück Ostpreußenstraße 85. Sie gehörten den „Forstmeiers“, die neben einem Lebensmittelgeschäft einen sehr erfolgreichen Kohlenhandel betrieben. Das Foto oben zeigt den Kohlenhändler Josef Forstmeier in seinem Lebensmittelgeschäft. Dieses war 1939 von seinem „Stammhaus“ Ostpreußenstraße 40 in das neue Haus auf der anderen Seite der Ostpreußenstraße, Ecke Zoppoter Straße, umgezogen.

 

 

Wie kam die Kohle an die Ostpreußenstraße?

 

Dass bereits im „Stammhaus“ der Ostpreußenstraße 40 mit Kohle gehandelt wurde, können die heutigen Mitglieder der Familie Forstmeier nicht mit Sicherheit bestätigen. Sicher aber scheint zu sein, dass unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg Obermayers Pferdefuhrwerke die Kohle vom Daglfinger Bahnhof an die Ostpreußenstraße brachten. Etwas später wurden die Pferdefuhrwerke durch einen „Dreiradler“ ersetzt. Mit diesem wurde die Kohle nicht nur vom Bahnhof abgeholt, sondern auch an die Kunden in Denning, Daglfing, Englschalking und Zamdorf ausgeliefert. Der Dreiradler war anscheinend das Standardgefährt der Kohlenhändler. Ich bin ziemlich sicher, dass auch die Kohlenhandlung Modl im Hof des Wohnhauses Bromberger Straße 6 einen besaß. Meine Mutter, die im Umkreis von 100 Metern vom Modl-Haus aufwuchs und auch heute noch in Sichtweite wohnt, behauptet, dass die „alten Modls“ schon in den 1930er-Jahren, vielleicht sogar in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre das Kohlengeschäft betrieben haben. Einen Nachweis konnte ich allerdings nicht finden.

 

Dies gilt leider auch für Einzelheiten zu den übrigen Kohlenhandlungen im Umfeld des Daglfinger Bahnhofs und der Ostpreußenstraße, nämlich Riedl, Ecke Marienburger-/Insterburger Straße, und Estermeier an der Daglfinger Straße. Zu den Kohlenhandlungen in der ehemaligen Gemeinde Daglfing zählte auch Hörl gegenüber dem Nikolauskirchlein in Englschalking. Es gab dort auch das Lebensmittelgeschäft Hörl und ein Hörl-Kino. Beim „Hörl“ sah ich etwa 1958 einen Film mit Dschingis Khan als Helden. Der Film war ziemlich sicher ab 12 Jahre, denn es gab nach damaligen Begriffen sehr viele Grausamkeiten zu sehen. Blut triefte förmlich von der Leinwand. An die Kohlenhandlung Hörl kann ich mich nicht mehr erinnern, doch ihre Existenz wurde mir von vielen Seiten bestätigt. Einzelheiten, die klären könnten, wie die Kohle transportiert wurde, ob sie über den Bahnhof Daglfing oder den Haltepunkt Englschalking angeliefert wurde, konnte ich nicht in Erfahrung bringen. Auch über Riedl erhielt ich bisher keine Hinweise, wie und wo die Kohle beschafft, verkauft und ausgeliefert wurde. Bei Riedl war die Kohlenhandlung ebenfalls mit einem Lebensmittelladen kombiniert. So war es auch bei Estermeier, aber Estermeier war zumindest in meiner Erinnerung viel stärker durch die Kohlenhandlung geprägt als Forstmeier, Riedl und Hörl. Vielleicht lag das daran, dass ich von dem Opel Blitz beeindruckt war, mit dem der „alte Estermeier“ seine Kohle vom Daglfinger Bahnhof abholte. Oder dass ich den Estermeier immer leicht geschwärzt vom Kohlestaub in Erinnerung habe, wohingegen mir der „Modl Willi“ nicht als Kohlenhändler, sondern als sehr freundlicher Schrankenwärter in Erinnerung ist.

 

 

 

 

Wie und wann wurde die Kohlenhandlung Modl geschlossen? Diese Frage stellte sich natürlich auch für die anderen Kohlenhandlungen. Eine nach der anderen gab ihr Geschäft auf, und irgendwann sind auch die dazugehörigen Lebensmittelgeschäfte eingestellt worden.

 

Manfred J. Holler, NordOstMagazin 2013

 

 

 

 

 

 

 

 

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Abbildungen von oben nach unten: