Montgelasstraße 6

 

Wie sich Bogenhausen vom Bauerndorf des 19. Jahrhunderts zum heutigen Stadtteil wandelte, so unterlagen auch die Bedürfnisse der Bewohner an den Dingen des täglichen Bedarfs einer steten Veränderung. es war wohl nicht viel, was der Landwirt nicht selbst herstellen konnte und deshalb beim örtlichen Krämer einkaufen musste. Was für uns heute der Vollsortimenter ist, war vor 50 Jahren der Tante-Emma-Laden und wiederum 50 Jahren zuvor die Krämerei oder der Spezereiwarenladen. neben dem Kramer gehörte zu jedem Dorf ein Metzger und ein Bäcker. Zudem gab es die verschiedensten Handwerksberufe: den Kistler, Schmied, Schuster, Zimmermann, Schneider, Weber, Wagner und Hafner. Auch Bader und Milchmann fanden ihr Auskommen und natürlich durfte die Tafernwirtschaft nicht fehlen.

 

Die Kleinhäusler - sie konnten allein von der Landwirtschaft nicht leben -  arbeiteten meist als Tagelöhner, mal hier mal dort. In Bogenhausen lebten um 1870 fast 1400 Einwohner. Im Gewerbe-Anmelde-Register der Gemeinde werden weitere Berufe und Betriebe genannt. So gab es den Hadern- und Lumpensammler, der seine Ware an die Papierfabriken weiterverkaufte, den Zeitungs- und und Tabakverkäufer, eine Wasser- und Zuckerwarenniederlassung, einen Hutmacher und eine Kleider- und eine Haarhändlerin. Für kurze Zeit registrierte man eine Parfümerie, einen Tändler, ein Pfandleihgeschäft und einen Antiquar. Es kam auch vor, dass eine Person mit mehreren Tätigkeiten angemeldet war. Schon der Hausname eines Anwesens wies meistens auf einen Beruf und die dazugehörige »Gerechtsame«, die Erlaubnis diesen Beruf auszuüben, hin. So befand sich auf der Hausnummer 42, jetzt Montgelasstraße 21, 1860 das »Krämerhaus« von Johann Reiser.

 

Im heutigen Anwesen Montgelasstraße 6, ehemals Hausnummer 45 ½, hatte Wolfgang Pinzer seinen Laden. Laut Gewerberegister, meldete er am 10. August 1873 eine Krämerei mit Spezereiwaren an. Das Wohngebäude mit dem Verkaufsladen wurde 1877 neu erbaut. 1880 war auf gleicher Hausnummer noch der Viktualienhandel durch Johann Federt und 1881 Elisabeth Zollner   mit einem Kleider-, Leinen- und Baumwollhandel angezeigt.

 

Manche Krämerei übernahm noch eine Branntwein-Niederlage, betrieb noch einen Geflügel-, Holz- oder Milchhandel und verkaufte zudem Mehl, Brot, Obst udn Gemüse. So war für zwei Jahre die Krämers- und Hausbesitzersfrau Franziska Berthold in ihrem Anwesen Hausnummer 15, später Ismaninger Straße 116, zusätzlich mit einem Pfandleihgeschäft angemeldet. Im April 1877 hatte Frau Berthold, verheiratet mit einem »Gypsforner«, bei der königlichen Regierung von Oberbayern um die Verleihung einer Konzession für die Eröffnung ihres neuen Geschäftes nachgesucht. Dies war laut Brief des Bezirksamtes nicht nötig, es reichte, wenn sie den Beginn des Gewerbes dort anzeigte. Voraussetzung war aber die ordnungsgemäße Führung eines Pfandbuches, welches sie vorab beim Bezirksamt vorlegen musste. Dieses Pfandbuch musste dauerhaft gebunden und mit fortlaufenden Seitenzahlen versehen sein. Für die Verpfändung von Juwelen, Gold- und Silbersachen war ein gesondertes Pfandbuch zu führen, das ebenfalls vorzuzeigen war. Sollte sie sich nicht an die Vorgaben halten, drohte man ihr mit einer Geldstrafe von bis zu 150 Mark oder mit einer Haftstrafe.

 

 

1905

 

 

1886 gab es in Bogenhausen insgesamt vier Krämereien. 1890 übernahm Augustin Eithuber das Geschäft von Wolfgang Pinzer. 1893 kauften Fanny und Klemens Uhl um 30.000 Mark das Wohnhaus mit Verkaufsladen. Die Postkarte vom Kramerladen an der Montgelasstraße 6 (siehe oben) stammt aus dem Jahre 1905. Eine der drei Damen ist die Inhaberin Kathi Trumle. Schon 1876 meldete sich Franz Reichardt mit einem Kunstantiquariat als Gewerbetreibender bei der Gemeindeverwaltung von Bogenhausen an, doch nach zwei Jahren zog er nach München. Heute befindet sich auf der Adresse Montgelasstraße 6 das Antiquariat Tivoli. Das Haus ist beinahe unverändert erhalten geblieben.

 

Karin Bernst,

Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten. Quer durch den Stadtbezirk 13, Münchner Nordostkalender 2017, München 2017

 

 

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Abbildungen:

oben: Der Kramerladen von Kathi Trumler in der Montgelasstraße 6 im Jahr 1905. Quelle: Stadtarchiv München Sign. DE-1992-FS-PK-STR-02751 URL: https://stadtarchiv.muenchen.de/scopeQuery/detail.aspx?ID=332657

unten: die Montgelasstraße mit den Häusern 15 und 17 (links) und den Häusern 4 und 6. Oben rechts die 1900 erbaute neue Bogenhauser Schule am Bogenhauser Kirchplatz 3. Quelle: Stadtarchiv München, Sign. DE-1992-FS-HB-XX-M-096