Die »Deutsche Bauzeitung«, in der 1904 eine Skizze des sogenannten Lindenhofs veröffentlicht wird, lobt in höchsten Tönen das Littmann'sche Anwesen:

 

»Ein Wohnsitz von edelster Kultur, ebenso reich an Gesellschaftsräumen mit den Möglichkeiten umspannende Geselligkeit zu pflegen, wie darauf eingerichtet, in den privaten Räumen der Familie sich behaglicher Lebensführung hinzugeben [...]

 

Platz genug war dafür vorhanden. Allein das Speisezimmer war 54 Quadratmeter groß und sage und schreibe 4,65 Meter hoch. Von den drei großen Fenstern bot sich ein offener Blick in die an italienische Renaissancegärten erinnernde Gartenanlage. Hier war eine prunkvolle Kassettendecke nach dem Vorbild der berühmten Renaissance-Decke im Goldenen Saal des Augsburger Rathauses eingezogen und die Wände mit Kopien von Werken Tizians und Rubens geschmückt. Außerdem gab es im Erdgeschoss einen Musiksalon, ausgestattet von namhaften Künstlern der Prinzregentenzeit, sowie ein Damen- und ein Herrenzimmer. 

 

 

Musiksalon mit Blick in das anschließende Herrenzimmer

 

 

Über den prachtvollen Musiksalon, der Damen- und Herrenzimmer voneinander trennte und sowohl als Empfangssalon als auch repräsentativer Gesellschaftsraum konzipiert war, schwärmte die »Süddeutsche Bauzeitung« 1906:

 

»Der farbige Stuckplafond mit tiefen Kassetten und Bildern von [Gabriel] Schachinger ist ein Meisterwerk in seiner Art, dazu stimmt vortrefflich die Wandbespannung von grauer Seide. Die Möbel sind in dunkel Mahagoni ausgeführt. Der dominierende Hauptwandschmuck sind vier eigens gemalte Landschaften von Professor [Charles Johann] Palmié, die Einfassung der Türen und die Fensterbrüstung sind aus Levante-verde-Marmor. Der stimmungsvolle Raum hat eine große Einheitslichtquelle, ein mit Kathedral- und Opaleszentgglas verschlossenes bay window. Kostbare Vasen und wertvolle Bronzen von [Georg] Wrba, Rudolf Maison, [Heinrich] Wadere [sic] erhöhen den vornehmen Charakter dieses Salons.«

 

In diesem im Westteil der Villa gelegenen Raum stand auch eine von Heinrich Waderé geschaffene Büste des 1901 auf tragische Weise ums Leben gekommenen Sohnes Curt von Ida und Max Littmann. Der Bildhauer schuf auch 1901 und 1903 nach dem Vorbild des italienischen Renaissancebildhauers Donatello zwei Sopraportenreliefs mit musizierenden Engeln, die jeweils über den Türen angebracht waren, die zum Damenzimmer im Süden beziehungsweise  zum Herrenzimmer im Norden führten:

 

 

 

 

 

 

An der Außenfassade griff Waderé das Motiv des Putto aus dem Musiksalon wieder auf. Mit der skulpturalen Gestaltung des nördlichen Risalits wurde der gesamten Westtrakt als repräsentativen Hauptbau, ja geradezu als Zentrum der Villa hervorgehoben. Der Architekt als Universalkünstler in Nachfolge der großen italienischen Renaissance-Meister: Die von Waderé gestaltete Front verdeutlicht diesen Anspruch Littmanns bestens. Diese »Hierarchisierung« von Räumen, die Trennung von Bereichen der Repräsentation, der Intimität/des Privaten und des Wirtschaftlichen (Küche, Dienstpersonal etc.) zieht sich generell konsequent bis ins kleinste Detail durch das gesamte architektonische Konzept der Villa.

 

 

Wandspruch an der Nordseite:

»Von mir erdacht. Von mir erbaut. Sollst mir ein Heim Sein. Lieb und Traut. AD 1902-1903. M.L.«

 

 

 

 

Im sogenannten Herrenzimmer befand sich der Arbeitsbereich von Max Littman. Es lag ebenso wie die Küche zur Nordseite der Villa im Erdgeschoss, da Littmann sich ausdrücklich einen unmittelbaren Verkehr zur Straße hin wünschte. Hier hing ursprünglich über dem Kamin ein monumentales Ölgemälde von Ludwig von Herterich (18561932) mit dem Doppelporträt von Ida, der Ehefrau Littmanns, und der gemeinsamen Tochter Gertrud. (Seit 1976 nach Schenkung der Dargestellten heute im Besitz der Bayerische Staatsgemäldesammlung)

 

 

Arbeitszimmer von Max Littmann mit Blick auf die Höchlstraße

 

 

Die Wirtschaftsräume befanden sich getrennt von den Wohnräumen der Familie in einem eigenen Trakt auf der Ostseite des Hauses.

 

 

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Die Türrahmungen und manche Fußböden bestanden aus Marmor, an den Wänden hingen riesige Gobelins oder Ledertapeten. Gespart braucht nicht zu werden, jede Kleinigkeit bis hin zum Türkdrücker war durchdacht, sogar die Fenstergitter erhielten bezugnehmend auf den Namen der Villa kleine geschmiedete Lindenblätter. Littmann hatte für sich selbst das Gesamtkunstwerk einer Künstlervilla geschaffen. Oft lässt sich nicht mehr klären, inwiefern Littmann selbst oder seine Mitarbeiter Pläne und Details bei den Auftragsbauten entworfen haben, bei dieser Villa ist der Fall eindeutig, sie ist das Manifest einer herrschaftlich orientierten künstlerischen und gesellschaftlichen Selbstdarstellung des Architekten und Unternehmers Max Littmann.

 

 

 

 

Von der Presse gefeiert wurde die Villa auch wegen ihrer technischen Ausstattung mit elektrischem Licht, Gasheizung, Telefon und vielen weiteren Neuerungen, wie man sie auch in der benachbarten Villa von Rudolf Diesel finden konnte, der im gleichen Jahr wie Littmann ein Grundstück in der Höchlstraße erworben hatte und für das Max Littmann als Architekt verantwortlich zeichnete.

 

 

 

 

Bildergalerie Innenansichten Villa »Lindenhof« Anfang des 20. Jahrhunderts: (zum Vergrößern bitte anklicken)

 

 

 

 

 

Nur ungern trennte sich der Architekt von diesem Haus. Doch besondere Familienverhältnisse und der Wunsch, der Natur ganz nahe zu sein, bewogen ihn nach dem Ersten Weltkrieg einen Wohnsitz fernab der Großstadt München zu wählen und den »Lindenhof« zu verkaufen. Max Littmann zog nach Bichl im Loisachtal. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs war hier in der Zeit des Schwarzmarktes in der Möhlstraße die »Ciro Bar« untergebracht. Die Villa »Lindenhof« steht heute unter Denkmalschutz.

 

 

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