Im Jahr 1895 erwarb laut Grundsteuerkataster der Ingenieur Clemens Freiherr von Bechtolsheim von der Stadt München ein 3940 Quadratmeter großes Grundstück an der Maria-Theresia-Straße 27, in bester Bogenhauser Lage gegenüber den Maximiliansanlagen, zum Preis von 136.381 Mark. Kurz darauf wurde der Breslauer Architekt Martin Dülfer mit dem Entwurf des Wohnhauses beauftragt. Die ersten Entwürfe vom Juni 1896 zeigten noch eine überwiegend der Louis-Seize-Tradition verbundene, traditionelle Formensprache mit barockisierenden Elementen.  Wann das endgültige, wohl von Richard Riemerschmid entworfene Jugendstil-Dekor am Turmaufsatz und auf dem Polygonalerker der Westfassade angetragen wurde, lässt sich nicht mehr eruieren. Die Villa war jedenfalls am 10. Mai 1898 bezugsfertig. Die Baukosten betrugen laut Bauakte (einschließlich der Zentralheizungsanlage) 112.500 Mark.

 

 

 

 

Die Villa des Ingenieurs und Erfinders Bechtolsheim hat einen raffinierten Grundriss: Im Hochparterre gehen alle Gesellschaftsräume von einer achteckigen, zentralen Halle aus, deren abgeschrägte Ecken geschickt als Verteilerräume oder als Zugänge zu den Salons genutzt werden. Durch Entfernung von nur zwei breiten Glastrennwänden konnte das Treppenhaus mit der Halle und dem Wintergarten zu einer großzügigen Raumflucht von etwa 15 Meter Länge verbunden werden. Im Obergeschoss befanden sich die Schlafräume und im Dachgeschoss die Dienstbotenzimmer. Interessant ist dort eine Trennwand aus Glasbausteinen zwischen Bad und Diele die älteste Verwendung dieses Baumaterials in München. Das Turmzimmer mit seinen fast rundum angebrachten Rechteckfenstern bietet einen wunderbaren Ausblick auf das Grün der Maximiliansanlagen und diente dem Hausherrn als Zeichenzimmer. Im Boden war eine verschließbare Öffnung, durch die ein sogenanntes Tischlein-deck-dich heraufgezogen werden konnte. Von höchster Qualität sind die Schmiedeeisenarbeiten der Geländer und auch die Stuckaturen. Immer wieder kehrt in den Innenräumen die Sonnenblumenornamentik des Jugendstils wieder.

 

 

 

 

 

 

In den 1950er-Jahren bewohnte der Dirigent Hans Knappertsbusch die Räume der Villa im Erdgeschoss.

 

Bei der Restaurierung der Villa 1970 wurde diese weitgehend dem Originalzustand angenähert - eine dankenswerte Leistung der Besitzer, die die prächtige Villa nicht der Spekulation geopfert haben. Die Stadt München verlieh ihnen dafür 1970 den seitdem jährlich ausgelobten Fassadenpreis und die repräsentative Villa steht heute unter Denkmalschutz. Das Schicksal des direkt angrenzenden Anwesens, die ehemalige Becker-Villa (Maria-Theresia-Straße 26), verlief weniger glücklich: Es musste einem modernen Beton-Appartementbau weichen.

 

 

 

 

 

 

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