Zur gleichen Zeit, 1907, lässt sich sein älterer Bruder August Pschorr eine Villa in der Möhlstraße 2 errichten. Im Gegensatz zu diesem Bau aber macht die gediegen-bürgerliche Villa in der Möhlstraße 23 mit der eigenwillig gewölbten Dachkonstruktion einen wuchtigen, beinahe trotzigen Eindruck. Der auffällige rote Buntsandsteinsockel streckt sich bis über das Hochparterre mit oval gewölbten Salonfenstern und flachem Erker in die Balkonbrüstung und die Fensterstürze der Beletage. Der angebaute Südturm mit flachem Rundhelm reicht über vier Stockwerke bis zur Firsthöhe – passend dazu am Ende der Einfahrt die Garage mit darüber liegender Chauffeurswohnung in Jugendstil, dem sogenannten "Kutscherhaus". Im Zentrum des Erdgeschosses dominiert eine große Halle, die als Musikzimmer genutzt wurde. Wie bei Villen dieser Zeit üblich, war das Personal im Dachgeschoss untergebracht hatte, aber – und das war wohl eher die Ausnahme – ein eigenes "Dienstbotenbad" und musste sich nicht in der Waschküche waschen. Der gesamte Hausbetrieb wurde möglichst von rückwärts vollständig getrennt geleitet.
Am 4. August 1945 nahm das "American Joint Distribution Committee" unter der Leitung von Eli Rock seine Arbeit in der geräumigen Villa auf. Das Komitee kümmerte sich bis 1957 um die Auswanderung der Juden, die überlebt hatten. Außerdem organisierte es deren Versorgung mit Lebensmitteln und Medikamenten und kümmerte sich um ihre religiöse Betreuung.
1949 bis 1953 war hier die Bibliothek der "Monacensia" untergebracht. Die Villa war über die Pschorr-Tochter Elisabeth von Zwehl bis 1963 im Besitz der Familie des Erbauers, seit 1997 ist sie Eigentum des Landschaftsarchitekten Gottfried Hansjakob, der unter anderem die Wohnsiedlung "Cosimapark" in Englschalking ausgestaltet hat. Das Gebäude selbst steht unter Denkmalschutz.
Das 2012 komplett sanierte Pschorr-Haus, inklusive Ausbau des Dachgeschosses für "moderne Ansprüche", wird momentan von der Ritter Finest Real Estate vermietet. Auf der rückwärtigen Freifläche des Grundstücks entsteht ein moderner Neubau mit Tiefgarage. (Mehr dazu)
Textquellen:
Karl, Scola: "Die Möhlstraße", 2002
Weyerer, Benedikt: "München 1933 - 1949", 2006
Gribl, Dorle: "Prominenz in Bogenhausen", München 2009.
Fotos von oben nach unten:
Blick von der Möhlstraße auf die Hauptfasse um 1912; Buchscan aus: Bayerischer Architekten- und Ingenieur-Verein (Hg.): München und seine Bauten, München 1912, S. 403.
Grundriss Erd- und Obergeschoss Möhlstraße 23; Buchscan aus: Bayerischer Architekten- und Ingenieur-Verein (Hg.): München und seine Bauten, München 1912, S. 403.
Blick auf Anwesen Möhlstraße 23, rechts zu sehen Villa Möhlstraße 25; hpt © Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V.
Wandbrunnen im Garten Möhlstraße 23; hpt © Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V.
Nach dem Abriss der ehemaligen Herz-Villa, Möhlstraße 30, bietet sich ein freier Blick von der Ismaninger Straße auf die Pschorr-Villa. hpt © Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V., Juni 2012