Der Pfarrer von St. Lorenz, Georg Manseicher, sah die Notwendigkeit der Errichtung einer Kleinkinderbewahranstalt in der Aufsichtsbedürftigkeit und dem Nutzen für die religiöse Erziehung der Kinder. Daher stellte er, mitten im Ersten Weltkrieg, im November 1917, seine erste Bitte an den Magistrat der königlichen Haupt- und Residenzstadt München, um einen Zuschuss zu erhalten.

 

"Seit mehr als 20 Jahren war es das Bestreben der ehemaligen Gemeinde Oberföhring, eine Kleinkinderbewahranstalt dahier zu errichten. Herr Pfarrer Max Schädler bot im Jahre 1897 den alten Pfarrhof dazu an. Aber immer scheiterte das Unternehmen an dem Kostenpunkt. (...) Nun soll das erworbene Gebäude für eine Kleinkinderbwahranstalt umgebaut und dementsprechend eingerichtet werden. Die bisherige Stallung ist in 2 Säle als Aufenthaltsraum und als Nährort für die Kinder umzubauen. Die Küche ist in die Kammer zu verlegen und ein Kamin einzurichten. Es sind 2 Aborte, gesondert für die Knaben und die Mädchen einzubauen. Dies erfordert nach anliegendem Kostenvoranschlag einen Aufwand von 15.000 Mark. Für die Neuanschaffung an Tischen, Stühlen, Ruhepolstern, Wandbildern und anderen Einrichtungsgegenständen sind sicher 2.000 Mark notwendig. (...) Die Leitung soll den als Kindergärtnerinnen ausgebildeten und geprüften armen Schulschwestern übertragen werden. In die Anstalt sollen Kinder aller Religionskenntnisse (Anm. d. Red.: Man rechnete mit 1 - 3 protestantischen Kindern) aufgenommen werden. Sie ist für 50 - 80 Kinder berechnet im Alter von 21/2 - 6 Jahren."

 

Des Weiteren hoffte der Pfarrer auf Spenden und die Unterstützung der umliegenden Fabriken, deren Arbeiter (Arbeiterinnen) in Oberföhring wohnten. Doch seine größte Hoffnung setzte er auf die Mithilfe der Stadt München, die einen großen Teil der Kosten übernehmen sollte. 20. Februar 1918 gründete er einen Förderverein in Erwartung zusätzlicher jährlicher Einnahmen von 800 - 1000 Mark. Außerdem verschickte der Pfarrer Bettelbriefe an Freunde, Institutionen, Vereine und an reiche Bauern in Oberföhring. Ihre Königliche Hoheit, die Prinzessin-Witwe Arnulf von Bayern spendete 100 Mark mit dem Zusatz: "Ihre königliche Hoheit bedauern sehr, einen größeren Beitrag nicht leisten zu können wegen zu starker Inanspruchnahme." Ein Oberföhringer Bauer lehnte ab mit der Begründung: "fällt es mir gar nicht ein, dass ich die Weiber unterstütze. Undank ist immer der Welt Lohn."

 

Eröffnet wurde der Kindergarten am 2. Juni 1919; der Umbau kostete 57.000 Mark, wobei der Getreidestadel, die Torfschupfe, das Backhaus und das Göppelwerk des alten Hofs abgebrochen wurden. Anna Krinner aus Plattling übernahm die Stelle als Kindergärtnerin. Von den armen Schulschwestern vom Angerkloster hatte der Pfarrer eine Absage bekommen, da "das Anwesen leider nicht unseren Wünschen und Anforderungen entspricht." Aber auch Anna Krinner stellte ihre Forderungen: "60 Mark für Verköstigung, 30 Mark Gehalt und Licht und Holz frei. Außerdem bitte ich noch um ein möglichst gut abgesperrtes Zimmer ohne Nebentüre. In einem anderen ist's so unheimlich besonders für ein alleinstehendes Mädchen und würde niemals sich heimisch fühlen können. Ferners möchte ich Ihnen noch mitteilen, daß für nachmittags 4 Stunden Kindergarten genügen da 5 Stunden Beschäftigung für die Kinder zu lang sind und ich sie nicht mehr zu halten wüßte, was besonders im Winter sehr schwierig wäre und sehr viel Unannehmlichkeiten haben würde."

 

 

 

 

Im Jahre 1925 übernahm der Vinzentius-Verein die Anstalt und seit 1939 befindet er sich unter der Trägerschaft der Kirchenstiftung St. Lorenz.

 

 

 

 

 

 

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Fotos:

oben: Der Kindergarten des St. Vinzentius Vereins um 1930

unten: Der Bichlbauerhof 1999

Fotoquelle: Karin Bernst, "Oberföhring. Das Dorf und seine Bewohner im 19. Jahrhundert", München 2000.

Text aus: Karin Bernst, in "Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten", Kalender 2004.