Der erste Direktor der Sternwarte, Johann Georg von Soldner (Amtszeit 1819 bis 1833), bezog die neuen Instrumente für die Bogenhauser Sternwarte von den damals weltberühmten optisch-feinmechanischen Werkstätten von Reichenbach und Fraunhofer. Mit dem von Reichenbach entwickelten Meridiankreis begann 1819 die Arbeit. Die »Königliche Sternwarte zu Bogenhausen« war das instrumentell bestausgestattete Observatorium der Welt und Fraunhofer konnte mit Unterstützung Soldners den Grundstein für die Beobachtungsmethoden der modernen Astrophysik legen, die heute noch Gültigkeit besitzen. Die Sternwarte in Bogenhausen war die erste der Welt, an der spektroskopische Beobachtungen der Gestirne durchgeführt wurden – aber Direktor Soldner verkannte den Wert dieser Experimente und widmete sich lieber der klassischen Astronomie. Eine historische Chance war damit vertan.
Sein Nachfolger Johann von Lamont (Direktor 1833 bis 1879) erhielt 1835 ein Teleskop aus der Fraunhofer'schen Werkstätte, das leistungsfähigste seiner Zeit. Mit ihm machte Lamont im Jahre 1836 Ortsbestimmungen des Kometen Halley, die bei der Wiederkehr des Kometen, 150 Jahre später, wichtige Informationen für den Satellitenflug der Raummission Giotto lieferten. Das Instrument wurde in einem eigens auf dem Gelände der Sternwarte 1835 errichteten Gebäude untergebracht, das zunächst mit einem flachen, zu öffnenden Dach versehen war. (Die Kuppel erhielt das Gebäude erst Ende 1858). Der Fraunhofer'sche Refraktor war bis 1969 in Betrieb und steht noch heute in seinem historischen Gebäude im Park der Sternwarte.
Refraktorgebäude 2007
Nach nur fünf Jahren erlahmte jedoch Lamonts Interesse am systematischen Arbeiten mit dem Refraktor, und er widmete sich mehr Meteorologie und erdmagnetischen und anderen verwandten physikalischen Untersuchungen. Möglich wurde dies durch den Bau eines unterirdischen Observatoriums 1840, das durch das Hauptgebäude der Sternwarte erreichbar war. Ab da wurde an der Messung von Erd- und Telegraphenströmen gearbeitet sowie die meteorologischen Messungen intensiviert. Ab 1852 gab die Sternwarte täglich um 12 Uhr ein Zeitsignal an alle bayerischen Eisenbahn- und Telegraphenstationen weiter. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden alle amtlichen Uhren Bayerns nach den Signalen der Bogenhausener Sternwarte gestellt.
Lamont verstärkte die meteorologische Messungen und schuf ein meteorologisches Zentrum, dem die bayerischen Meteorologen ihre Auswertungen zusandten. Er gründete eine noch heute bestehende feinmechanische Werkstätte zur Entwicklung eigener Messinstrumente. Vor allem die magnetischen Instrumente aus Bogenhausen waren im 19. Jahrhundert bei Expeditionen in aller Welt begehrt. Nach 51 Jahren Arbeit an der Sternwarte starb Lamont 1879. Er liegt wie sein Vorgänger Soldner im Bogenhausener Friedhof begraben.
Der Repsold'sche Meridiankreis von 1891
Hugo von Seeliger war sein Nachfolger, er übernahm 1882 die Leitung der Sternwarte und führte sie bis zu seinem Tod im Jahr 1924. In seine Amtszeit fällt der Bau eines neuen, mit den erforderlichen Instrumenten großzügig ausgestatteten erdmagnetischen Observatoriums (1899). Damit war auch der Startschuss für erweiterte geophysikalische Aktivitäten gefallen: So wurden unter anderem in den folgenden Jahren eine Erdbebenwarte eingerichtet und einige Außenstationen aufgebaut. Hauptarbeitsgebiet wurde jedoch wieder die Astronomie. Ein moderner, 1891 installierter Repsold'scher Meridiankreis löste sehr bald den Reichenbach'schen Meridiankreis als Hauptinstrument der Sternwarte ab. Am »Fraunhofer'schen Refraktor« gelang 1897 die Entdeckung eines kleinen Planeten, der nach der Stadt München »Monachia« genannt wurde.
Sternwarte um 1900
Die Königliche Sternwarte auf einer Ansichtskarte von 1914
Nach der 1892 erfolgten Eingemeindung Bogenhausens machte sich aber allmählich der Einfluss der expandierenden Stadt auf die praktische astronomische und geophysikalische Arbeit an der Sternwarte bemerkbar. Um die Jahrhundertwende hatte man bei der Projektierung der Possartstraße die Bedürfnisse der Astronomen noch berücksichtigt und diese Straße exakt in Nord-Süd-Richtung angelegt, um die Meridiankreisbeobachtungen nicht durch Häuser zu stören. Die fortschreitende Bebauung in der Umgebung und die damit einhergehende Straßenbeleuchtung führte jedoch zunehmend zur Aufhellung des Nachthimmels und erschwerte so vor allem fotografisches Arbeiten immer mehr. Auch die geophysikalischen Arbeiten wurden allmählich durch die Erschütterungen des wachsenden Straßenverkehrs in Mitleidenschaft gezogen und speziell der Ausbau des Straßenbahnnetzes (Ismaninger Straße) setzte dann 1927 den erdmagnetischen Messungen an der Sternwarte definitiv ein Ende.
1944
Nach den starken Kriegszerstörungen begann – 1938 eingegliedert in die Ludwig-Maximilians-Universität – der Wiederaufbau und die Übernahme des Observatoriums am Wendelstein. Heute werden Beobachtungen mittels Satelliten und in Observatorien in klimatisch günstigen und dünn besiedelten Gebieten wie zum Beispiel Chile oder Texas durchgeführt und in der Sternwarte in Bogenhausen ausgewertet.
Teleskope in Chile 1999
Dies geschieht in einem im Mai 1964 neu errichteten Institutsgebäude, das nach Abriss des fast 150-jährigen, von der Konzeption her diesen Anforderungen nicht genügenden historischen Sternwartgebäudes an dessen Standort seinen Platz fand. Nach über zweijähriger Bauzeit konnte am 10.1Oktober 1966 der Einzug erfolgen und die Arbeit in dem mit mehreren Elektroniklabors, einem Chemielabor, einer Feinmechaniker- und Tischlerwerkstatt und einer (für damalige Verhältnisse) beeindruckenden Rechenanlage versehenen Gebäude aufgenommen werden.
Institutsgebäude der Universitäts-Sternwarte 2003
>> mehr zur Historie und zur neueren Geschichte der Sternwarte
Literatur:
Dr. Reinhold Häfner: Die Universitäts-Sternwarte München im Wandel ihrer Geschichte, München 2003.
Roland Krack, "Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten", Kalender 2002.
Abbildungen von oben nach unten:
"Die Sternwarte in Bogenhausen". Bleistiftzeichnung von Josef Resch, 1868. Sammlung Proebst. Das villenartige Gebäude links stand an der Sternwartstraße etwa in der Mitte zwischen Ismaningerstraße und dem heutigen Galileiplatz. Dies zeigt, dass schon lange vor der Jahrhundertwende 1900, als der wachsende Stadtteil Bogenhausen die Sternwarte fest eingeschlossen hatte, das Dorf Bogenhausen sich auch schon allmählich Richtung Stenwarte ausdehnte. Rechts von der Villa ist das 1816/17 errichtete Hauptgebäude mit dem Meridiansaal und den zwei Beobachtungskuppeln zu sehen, daneben das Refraktorgebäude aus dem Jahr 1835, das den Fraunhofer'schen Refraktor beherbergt. Noch steht der Verbindungsgang (gebaut 1882) dazwischen nicht.
Das heute unter Denkmalschutz stehende Refraktorgebäude (mit dem Fraunhofer'schen Teleskop) aus dem Jahr 1835 im Garten des Astronomischen Instituts, aufgenommen 2007; das Gerüst stammt noch von den umfangreichen Renovierungsmaßnahmen.
Der Repsold'sche Meridiankreis. Er wurde 1891 im Meridiansaal aufgestellt und war jahrzehntelang das Hauptinstrument der Sternwarte. Die Aufnahme entstand um 1900. Quelle: Universitätssternwarte Bogenhausen
Blick vom Dach des Westflügels der Sternwarte nach Südosten. Links: Ostkuppel des Hauptgebäudes, Im Vordergrund: Dach des Meridiansaales, Mitte: Refraktorgebäude, im Hintergrund die Ziegeleien und das Gaswerk am Kirchstein. Die Aufnahme entstand um 1900. Schon wenige Jahre später war die Sternwarte von Häusern eingeschlossen.
Die Sternwarte Bogenhausen nach den Luftangriffen vom 11. und 13. Juli 1944 (Blick von Nordwesten). Der Wiederaufbau wurde 1946 begonnen und war 1954 abgeschlossen.
Die vier Teleskope des VLT auf dem 2365 m hohen Cerro Paranal in der chilenischen Atacama-Wüste. Die Universitäts-Sternwarte war maßgeblich am Bau von Instrumenten für diese Teleskope beteiligt.
Das Hauptgebäude der alten Sternwarte wurde im Mai 1964 abgerissen und in zweijähriger Bauzeit das neue, modernen Anforderungen genügende Institutsgebäude errichtet. Der Einzug fand am 10.10.1966 statt.
Quelle der Fotografien: mit dankenswerter Genehmigung der Universitäts-Sternwarte Bogenhausen