Erinnerungen an die Buslinien meiner Kindheit

Da gab es den Linienbus des Unternehmers Schranner, der verband den Westerlandanger in Johanneskirchen auf verschlungenen Wegen mit dem Herkomerplatz in Bogenhausen. Dieser Bus fuhr in meiner Kindheit in den Stoßzeiten im Zwanzigminutentakt, dann aber nur noch alle vierzig Minuten, bis es auf vier Uhr nachmittags zuging, dann hatten die Erwachsenen Feierabend und er fuhr wieder im Zwanzigminutentakt.

 

Als Kinder durften wir, die wir nicht im Randbereich des Schulsprengels wohnten, nicht mit dem Bus zur Schule fahren, auch dann nicht, wenn es so bitterkalt war wie im Januar 1954, denn die Firma Schranner hatte nicht so viele Omnibusse und die Erwachsenen mussten in ihre Arbeit kommen. Gelegentlich aber kam es vor, dass die Fahrgäste nicht an ihr Ziel kamen, dann nämlich, wenn Glatteis war, dann wurde die Englschalkinger Straße, eine Kopfstein gepflasterte, leicht gewölbte Dammstraße, zum unkalkulierbaren Risiko. Der Bus kam dann von der Straße ab und hing über die Böschung. Schlimmeres ist, Gott sei Dank, nie passiert.

 

 

Schrannerbus auf der Englschalkinger Dammstraße

 

 

Eine besondere Sache der Schrannerlinie war, dass die Fahrer ihre Fahrgäste namentlich kannten, man begrüßte sich und es war noch nicht verboten, mit dem Fahrer zu sprechen, zumindest nahm man dieses Verbot nicht so genau. Wenn zum Beispiel der Bus von Daglfing zum Bahnhof fuhr, warf der Busfahrer immer einen Blick in die Oberschlesische Straße. Sah er meinen Großvater und hob dieser seinen Hacklstecken, hielt er an und ließ ihn bei der Seilerei Schwaiger zusteigen.

 

Das Unternehmen Schranner bediente aber nicht nur die Buslinie Johanneskirchen – Bogenhausen, sondern es organisierte auch schon sehr früh Busreisen und Ausflüge. Nach dem Krieg, kaum jemand hatte damals ein Auto, war dies neben der Eisenbahn für die breite Öffentlichkeit die einzige Möglichkeit, etwas weiter zu verreisen.

 

Zum Fahrplan noch eine kleine persönliche Geschichte: von etwa acht Uhr abends bis zweiundzwanzig Uhr zwanzig fuhr der Bus nur noch alle vierzig Minuten und so kam es, dass man, so wie ich, wenn man mit seiner Freundin zum Pfarrfest in Heilig Blut beim Tanzen und nicht pünktlich um Viertel nach zehn Uhr am Herkomerplatz war, vom Schrannerbus nur noch die runden, entschwindenden Schlusslichter sah. Dann hieß es gehen, eigentlich war es schon ein Wandern, denn meine damalige Freundin wohnte im Moos. Es war für mich natürlich eine Ehrensache, sie nach Hause zu bringen und wenn ich ganz ehrlich sein will, dann war es auch ganz kurzweilig. Händchen haltend, und gelegentlich bekam ich auch einen kleinen Kuss verging die Zeit wie im Fluge. War der Hinweg noch der Himmel, so wurde der Rückweg nach Daglfing, es war längst Mitternacht, zur Hölle, der Weg wurde immer länger und ich musste um sieben Uhr in der Lehrwerkstatt sein.

 

Die zweite wichtige Buslinie unserer Gegend war der „Zehnerlbus“ von Oberföhring zum Herkomerplatz. Sie merken schon, der Herkomerplatz war das Zentrum und der Verkehrsknotenpunkt unseres Stadtteils und das obwohl wir damals noch gar nicht zu Bogenhausen gehörten. Doch wie kam es zu dieser zweiten Buslinie? Der Schmied und Schlosser Fuchs, es war die Zeit des Wiederaufbaus, war ein kluger Kopf und Tüftler. Er fertigte zum Beispiel Werkzeuge, mit denen man die Hohlkammern in die Ziegelsteine pressen konnte. Nebenbei erhöhte sich damit die Festigkeit und Wärmeisolierung der Steine und man verbrauchte dabei noch weniger Lehm. Nun, dieser Herr Fuchs machte den Oberföhringer Ziegeleibesitzern den Vorschlag, einen Busverkehr zu organisieren, damit ihre Arbeiter vom Herkomerplatz bzw. vom Johanneskirchner Bahnhof nicht den weiten Weg zu Fuß gehen müssten: „De san ja scho miad, bevor's okumma“. Die Reaktion war typisch: „ Wannst du scho so g'scheit bist, dann mach's doch selber!“ Und er machte es selbst, er kaufte einen alten Wehrmachtslastwagen mit einem Kastenaufbau, schnitt in diesen Fenster und Türen hinein und bestückte ihn mit Sitzbänken und beförderte für zehn Pfennig seine Fahrgäste hart gefedert über das Kopfsteinpflaster. Stand im Oberföhringer Krankenhaus eine Nierensteinoperation an, drückte der Chefarzt dem Patienten zwanzig Pfennige in die Hand und forderte ihn auf, zum Herkomerplatz und zurück zu fahren. Der Patient solle sich auf die Bank über der hinteren Achse setzen, vielleicht löse sich der Stein und man müsse nicht operieren.

 

Josef Krause, NordOstMagazin 2010

 

 

>> mehr zu den Bussen im Münchner Nordosten

 

 

 

Fotos von oben nach unten: