Heiratserlaubnis

Bei „Heiratserlaubnis“ denkt man zunächst an die Bewilligung einer Ehe durch die Eltern, wie es früher üblich war. Hier jedoch ist die behördliche oder dienstherrliche Heiratserlaubnis gemeint, die bis in die lehnsherrliche Zeit des Mittelalters zurückgeht. Sie war ein Druckmittel auf die kleinen, besitzlosen Leute – vor allem Knechte und Mägde  –, die sozial und wirtschaftlich  abhängig waren. Noch im 18. Jahrhundert bestand die geradezu kindische Angst, dass besitzlose Leute soziale Lasten herausfordern. So verweigerte die Gemeinde Berg-am-Laim 1807 dem Schulmeister Kink die Heiratserlaubnis wegen zu geringen Einkommens.

 

Mit dem Gemeindeedikt von 1818 wurde der Heiratkonsens den Gemeinden übertragen. Grund- und Hausbesitz, Steuerabgabe, Heimatrecht, ein einwandfreier Leumund waren unter anderem Voraussetzung für eine Heiratsgenehmigung. Allen möglichen Auswüchsen waren Tür und Tor geöffnet. Ein Gesetz von 1825 sollte geordnete Verhältnisse schaffen, die Bevölkerungszahl steigern und die unehelichen Geburten verringern. Die beginnende  Industrialisierung und die Landflucht hatten in der Landwirtschaft einen Arbeitsmangel zur Folge. So wie man heute glaubt, durch anwachsende Geburtenzahlen die Rentenfrage lösen zu können, wollte man damals  den wirtschaftlichen Aufschwung verstärken. Der Abgeordnete Rudhart bemerkte dazu in der Ständeversammlung: „Die Erschwerung der Heiraten ... hinderten ein ... angemessenes Wachstum der Bevölkerung und beraubten uns  ... jener kostbaren Kräfte, durch deren fruchtbare Produktion der innere Wohlstand am segensreichsten gedeiht ...“ Der Abgeordnete Hagen war jedoch der Meinung, „nicht in der Menge der Einwohner, sondern in der Zahl selbstständiger Staatsbürger besteht die Kraft des Staates“.

 

Tatsächlich stieg die Bevölkerungszahl an, auch durch die verbesserte gesundheitliche Vorsorge und die Verminderung der Kindersterblichkeit, gleichzeitig aber auch der Widerstand der Gemeinden, die 1834 eine erneute Erschwerung der Eheschließung erzwangen und ein in Deutschland einmaliges Vetorecht erhielten. Gewissenskonflikte und menschliche Not, Flucht in die Ungesetzlichkeit,  Auswanderung und eine unverminderte Zahl unehelicher Geburten waren die Folge. Ein Gesetz von 1868 unter dem liberalen Ministerium Hohenlohe brachte wesentliche Erleichterungen, die im Zweiten Reich im Reichszivilehegesetz vom Februar 1875 fortgesetzt wurden.

 

 

 

Die Erteilung der Heiratserlaubnis hat sich am längsten im Soldatenstand erhalten. Offiziere mussten noch in der Wehrmacht bei ihren Vorgesetzten eine Genehmigung zur Heirat einholen. In der Nazizeit wurden für bestimmte Berufsgruppen arische Nachweise verlangt. Heute stehen Ehe und Familie nach der bayerischen Verfassung und dem Grundgesetz nicht unter Aufsicht, sondern unter dem Schutz des Staates.

 

Herbert Feldmann, NordOstMagazin 2010

 

 

 

Abbildungen:

oben: Heiratserlaubnis Schenkl, 1852

unten: Verehelichungszeugnis, 1875