Siedlung im Daglfinger Moos

(Daglfing)

 

Die Verhältnisse in der in den 1930er-Jahren entstandenen "wilden Siedlung" im Daglfinger Moos waren untragbar. Häufig wohnte eine mehrköpfige Familie in einer Einraumhütte. Insbesondere die hygienischen Zustände führten bald nach der Eingemeindung 1930 zur teilweisen Umsiedelung von Moossiedlern (siehe Fotos), unter denen einfache Berufe (Lohnarbeiter) dominierten. Die soziale Misere spiegelte sich bereits in den Reichstagswahlen im Mai 1928 wider, als die Hälfte der 763 Wähler links wählte (337 Stimmen SPD, 79 KPD). Auf die konservativen Parteien entfielen: 155 Stimmen Bayerische Volkspartei, 47 Stimmen Deutsch-Nationale Volkspartei. Die NSDAP erhielt nur 24 Stimmen, der Englschalkinger Schulleiter Nett klagte über »die vorwiegend sozialistisch und vielfach auch kommunistisch ausgerichtete Arbeiterschaft«. Die Zeit der großen Arbeitslosigkeit Ende der 1920er Jahre traf viele Neusiedler hart. Das Arbeitslosengeld reichte kaum zum Leben. Viele Häuser mussten wieder verkauft werden. In den neuen Siedlungen in Daglfing und Denning lebten die Menschen sicherlich überwiegend in sozial geordneten Verhältnissen, doch ihre Behausungen waren alles andere als komfortabel. Die Siedler bewohnten oft einfache Häuschen und teilweise Holzbaracken, die meist erst nach dem Krieg geräumigeren Häusern Platz machten. Oft wurden in »Schupfen« Nutztiere gehalten. Da Brunnen neben der Abortgrube im Garten Standard waren, forderte man bald aus hygienischen Gründen eine zentrale Wasserversorgung. Überall wurde selbst Hand angelegt, sogar die Straßen stellte man mit dem Kies aus dem eigenen Grundstück her. Innerhalb eines Jahrzehnts veränderte sich Daglfings Gesicht. Ähnlich wie in Daglfing entstand auch um 1930 die "Englschalkinger Siedlung", so die provisorische Bezeichnung für die "wilde Siedlung" an der Evastraße.

 

 

Leben in der "wilden Siedlung" am Daglfinger Moos um 1930

 

 

In der Nähe am Weg zum Einlauf des Hüllgrabens in den Abfanggraben steht noch ein sehenswertes 100-jähriges Haus (Im Moosgrund 43). Das Das Mooshäusel wurde nach Aussage der Besitzer ca. 1910 gebaut. Die "Sparren" des Dachstuhls sind aus stehenden Brettern in der Dachform nach Schablonen herausgesägt, dann die Dachhaut verbrettert und mit Blech verkleidet. Diese Bauweise war um 1900 für kleine Häuser eine kostengünstige Alternative zu einem gezimmerten Dachstuhl. Ähnliche Dachkonstruktionen mit stehenden Brettern wurden auch für große Hallen ausgeführt, dabei wurden die einzelnen Brettermodule wabenförmig verschraubt. Der Architekt Zollinger hat die Bauweise 1906 patentiert. Heute kann man solch eine "Zollinger Halle" im "Freilichtmuseum Glentleiten" besichtigen.

 

 

 

 

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Text und Bildergalerie "Daglfinger Moossiedlung" aus: Ausstellungstafel 8: "Einfaches Leben", aus der Ausstellung "Vier Dörfer für München. Daglfing, Denning, Englschalking und Johanneskirchen und ihre Eingemeindung nach München 1930", 10.4 bis 2.5.2010 in der ehemaligen Quellenapotheke, Ostpreußenstraße 27, München-Denning, Veranstalter: Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V. Mehr Bilder zur Ausstellung

Foto unten: "Haus Im Moosgrund 43" © Franz Kerscher http://home.mnet-online.de/kerscher