1952 begann man mit dem Aufbau einer berufsbildenden Einrichtung für Gehörlose in einem Haus an der Haydnstraße in München. Der Bezirk Oberbayern übernahm 1958 die Trägerschaft dieser Berufsfachschule. Seit 1972 spricht man vom Berufsbildungswerk München für Hör- und Sprachgeschädigte. 1977 zog das Berufsbildungswerk nach Johanneskirchen, an die Musenbergstraße. 230 junge Leute erhielten 1979 in den Lehrwerkstätten ihre Ausbildung in den Berufsfeldern Metall, Holz und Textil sowie Leder und Fototechnik. Rund 20 Millionen Mark investierte der Bezirk Oberbayern in die Einrichtung und in die damalige Bauruine, bestehend aus vier Gebäudeblöcken. Die Lehrkräfte waren damals noch »Taubstummenlehrer«, die eine handwerkliche Ausbildung absolviert hatten.

 

Derzeit werden dort 27 verschiedene Berufe in folgenden Bereichen ausgebildet: in der Agrarwirtschaft, Ernährung und Hauswirtschaft, in der Farbtechnik, Raumgestaltung und Holztechnik, Friseur, Orthopädieschuhmacher, Gestalter für visuelles Marketing und Berufe in der Drucktechnik, Metalltechnik, Textiltechnik und Verwaltung.

 

Nördlich vom Berufsbildungswerk entstand ab 1986 das Schulzentrum für Hör- und Sprachbehinderte, Musenbergstraße 32. Auf dem Gelände »Unsere kleine Stadt« befindet sich die Sprachenheilschule, die Schwerhörigenschule, eine Schwimm- und Sporthalle, ein Verwaltungsgebäude sowie therapeutische und schulvorbereitende Einrichtungen und Wohnheime. Der Münchner Architekt Utz-Peter Strehle und sein Team erhielten 1980 den ersten Preis bei dem öffentlich ausgeschriebenen Wettbewerb. Zum Schuljahresbeginn 1989 konnten die beiden Schulen ihren Unterricht aufnehmen. 28 Millionen DM betrugen die Gesamtkosten für das Schulzentrum. In der Zeitschrift Bauwelt, Jahrgang 1990, Heft 23, findet sich folgende Beschreibung der Anlage:

 

Die Landschaft aus roten Foliendächern läßt eher an einen Zirkus denken, der seine Zelte auf der Festwiese aufgeschlagen hat. Die zahlreichen Einzelgebäude, in die der Komplex aufgelöst ist, wirken fröhlich und ausgelassen. Diese Architektur schenkt jenen, denen doch das Selbstverständliche unendlich schwerfällt, eine Umgebung, die Leichtigkeit und Anmut suggeriert und so entspannend wirkt.

 

Gegründet wurde die Schule zur Sprachförderung mit 13 Schülern unter der Leitung der Schwerhörigenschule an der Blumenstraße 61 im Schuljahr 1955/1956. Anni Braun wurde 1963 zur ersten Rektorin der nun eigenständigen Sprachheilschule mit insgesamt 133 Schülern ernannt. Nach ihr wurde die Schule 1997 in »Anni-Braun-Schule« umbenannt.

 

Das Schulzentrum 1991 und seine Ausbildungsplätze:

 

Berufsbildungswerk mit Sonderschule, 230 Ausbildungsplätze

Schule für Schwerhörige, 200 Ausbildungsplätze

Schulvorbereitende Einrichtung, 32 Ausbildungsplätze

Sprachheilhauptschule, 145 Ausbildungsplätze

Heimbereich, 72 Plätze

Tagesstätte, 48 Plätze

 

Ein Erweiterungsbau des Schulzentrums wurde 2006 durch den Einspruch der Witwe des Architekten Strehle mittels Baustopp zunächst verhindert. Das Landgericht München I gab am 14. September 2006 dem Eilantrag der Witwe statt, die das Lebenswerk ihres Mannes verteidigen wollte. Sie vertrat die Meinung, dass der beabsichtigte Neubau überall stehen könnte, nur eben nicht auf dem Gelände der Musenbergschule, da er auf die dortige Umgebung keine Rücksicht nehmen würde. Der Baustopp für die geplante Erweiterung wurde trotz Urheberrechtschutz im September 2007 durch das Oberlandesgericht in der zweiten Instanz mit der Begründung aufgehoben, dass der Architekten-Witwe kein Anspruch zustehe, die Bebauung zu untersagen. Im Vertrag mit dem Bezirk von Oberbayern war vereinbart worden, dass der Bauherr auch das fertige Werk »nutzen und ändern« dürfe.

 

Beim Architektenwettbewerb für die neue Schule für Sprachförderung erhielten zwei Architekten, der Aachener Frank Hausmann und der Münchner Reinhard Bauer, jeweils den zweiten Platz. Der favorisierte Entwurf von Reinhard Bauer musste noch an die Wünsche des Bauherrn angepasst werden. Die Grundsteinlegung der neuen Anni-Braun-Schule erfolgte im Juli 2009. 2,5 Millionen Euro sollte der Neubau kosten, der im Schuljahr 2011/12 bezogen werden konnte. 

 

 

 

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Foto unten: Treppenhaus Anni Braunschule, www.anni-braun-schule.de

 

Texte: Karin Bernst: Johanneskirchen. Das Dorf 815-2015, München 2015.