Villa Kaufmann

Möhlstraße 21

 

Gebaut wurde dieses Haus im Jahre 1901 für die Eheleute Julius und Luise Kaufmann. Der Bank- und Druckereidirektor (*1855) und seine Frau, geb. Beer (*1858), lebten hier fast 40 Jahre lang. Den evangelischen Christen jüdischer Herkunft wurde am 1. Februar 1938 von den Nationalsozialisten ihr Haus genommen arisiert und ging samt Grundstück in den Besitz des freiherrlichen Leonrodschen Familienfideikomiss, vertreten durch Wilhelm Karl Ludwig Freiherr von Leonrod, Obersthofmeister in München, Franz Leopold August Freiherr von Leopold, bayerischer Oberst und Kammerjunker in Bad Reichenhall und Hans Freiherr von Welser, Staatssekretär a.D. in München, über. Die Mitglieder der adeligen Offiziersfamilie hatten offenbar keine Bedenken, sich mit Hilfe der Nationalsozialisten zu bereichern und die rechtlosen Hausbesitzer auf die Straße zu setzen. In Vorbereitung der Abtransporte zum Massenmord wurden hier und in benachbarten Häusern sogenannte »Judenquartiere« eingerichtet, in denen aus ihren bisherigen Wohnungen vertriebene und enteignete Juden zusammengepfercht wurden. Auch die Familie Kaufmann zog in eine Pension in der Kaulbachstraße 35, später in die Jakob-Klar-Straße 7/1, wo schon ihr Sohn Bruno einquartiert war. Ihr Haus bewohnten ab sofort Wilhelm Freiherr von Leonrod und seine Ehefrau Clara, geborene Freiin von Sazenhofen. Im Oktober 1940 zeichnete sich die baldige Deportation der Familie Kaufmann ab. Die beiden über 80-Jährigen sahen keinen anderen Ausweg als den Tod. Sie vergifteten sich durch Gas am 31. Oktober 1940. Ihr Sohn Bruno Kaufmann begleitete seine Eltern in den Tod. Die evangelische Landeskirche, deren Mitglieder die Familie Kaufmann gewesen ist, ist bis heute nicht in der Lage, Unterlagen und eventuell die Grabstätte der Familie aufzufinden. In einer Stellungnahme an 6. Juni 2003 dazu heißt es: »[...] Aufzeichnungen über die kirchliche Bestattung vom Transport in ein KZ bedrohter Juden, die Selbstmord begangen haben, wenn es überhaupt solche Aufzeichnungen gab, sind mit Sicherheit vernichtet worden.«

 

 

Erinnerungsaktion von Wolfram P. Kastner an die jüdische Familie Kaufmann

im November 2004 vor deren Villa © wolfram p. kastner

 

 

Noch im gleichen Jahr erwarb der vier Jahre später in Berlin-Plötzensee von den Nationalsozialisten hingerichtete Ludwig Freiherr von Leonrod, Sohn des »Arisierers« der Kaufmann-Villa, das Anwesen als »Arisierungsgut«. 1955 ging es in den Besitz des vormaligen Nationalsozialisten und Sozialgerichtsrat Karl von Manz – in seiner Druckerei wurden vor 1945 NS-Schriften hergestellt – über, um schließlich ab 1958 jahrzehntelang Verbindungshaus der Deutschen Burschenschaft Danubia e.V. zu werden. Der schlagenden Verbindung werden Verbindungen zur rechten Szene nachgesagt. Seit 2012 wird sie vom Verfassungsschutz als rechtsextreme Organisation beobachtet.

 

 

Die Villa der Familie Kaufmann 2007, rechts davon ist die Pschorr-Villa zu sehen

 

 

Es wirkt wie ein Hohn der Geschichte, dass organisierte Rechtsextremisten im »arisierten« Haus in der Möhlstraße 21 residiert und von dort aus antisemitisches und rassistisches Gedankengut verbreitet haben. Ansprüche auf Rückerstattung von Vermögensgegenständen könnten sich auch aus deutschem Recht ergeben, aber im Fall der Familie Kaufmann ist inzwischen die Verjährung der Sachlage eingetreten. Im Oktober 2016 ist die Danubia ausgezogen und hat eine Villa in Schwabing, Potsdamer Straße 1a, bezogen. Näheres dazu hier

 

 

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Textquelle: Kastner, auf einmal da waren sie weg ..., S. 118-121, Verlag Ernst Vögel

Fotos: © dietlind pedarnig (2007)