Alfred von Bary (18731926)

 

Vier Jahre alt war Alfred von Bary, als sein Vater als Arzt auf einer Expedition in Südlibyen verstarb. Noch im selben Jahr folgte ihm sein älterer Bruder Richard mit nur sieben Jahren in den Tod. Alfreds Mutter Anna von Bary entschloss sich, nach Leipzig und später nach München, in die Heimatstadt ihres Mannes, zurückzukehren. Nach bestandenem Abitur promovierte Alfred 1898 zum Dr. med. und wurde als Arzt approbiert. Bis 1899 war er als 2. Assistenzarzt an der Kuranstalt für Gemüts- und Nervenkranke in Ahrweiler tätig und übersiedelte dann nach Leipzig, wo er an der Universität ein Erweiterungsstudium im Fach Psychiatrie bei dem Hirnforscher Professor Paul Flechsig aufnahm. Bis 1901 war er als »Nervenarzt« tätig. Während seiner Medizinausbildung widmete er sich parallel zum Entsetzen der Familie seiner Gesangsausbildung. Wann immer er konnte, besuchte er die Hofoper in München mit ihren berühmten Aufführungen der Opern von Richard Wagner.

 

Alfred wurde tatsächlich entdeckt und konnte als Tenor reüssieren: ab 1902 erhielt er als königlich sächsischer Hofsänger (Heldentenor) einen Anstellungsvertrag an der Dresdener Hofoper. Schon bei seinem Debüt als »Lohengrin« erregte der junge Sänger großes Aufsehen wegen seiner kraftvollen Stimme. Auch Bayreuth wurde auf ihn aufmerksam und Cosima Wagner bot ihm an, 1904 den »Parsifal« zu singen. Seine angeborene Kurzsichtigkeit sowie ein doppelter Leistenbruch bereiteten Bary aber bereits bei diesem Auftritt große Probleme. Dennoch zählte er bald zu den gefragtesten Wagner-Tenören seiner Zeit.

 

Privat war er nicht ganz mit Glück gesegnet: Seine Ehe mit der Krankenschwester Thekla Olivia Koch ging in die Brüche und er ließ sich 1908 von der Mutter seiner dreier Söhne scheiden. Ein Grund war mit Sicherheit die Bekanntschaft mit der schlesischen Bildhauerin Jenny Doussin, die er dann ein Jahr später, 1909, auch heiratete. Seine zweite Ehefrau war autodidaktisch zur Bildhauerei gekommen und ihre Spezialität waren Tierplastiken; dem Rat ihres Mannes folgend, fertigte sie dann auch Skulpturen des Sängers in Bronze und Marmor, aber auch Büsten von Generalmusikdirektor Ernst von Schuch, Bruno Walter und vielen anderen Persönlichkeiten an. Sie stieg zu einer gefragten Künstlerin auf.

 

 

 

 

1911 trat Bary erstmalig in München auf, wo er einst seine Schul- und Studentenzeit verbracht hatte: Er hatte sich unter dem Dirigenten Felix Mottel bei den Sommerfestspielen verpflichtet, viermal die Rolle des »Tristan« zu singen, die wichtigste Rolle seiner Gesangskarriere. Im April 1912 kehrte Bary wieder mit festem Wohnsitz nach München zurück, er ließ sich mit seiner Frau in Schwabing in der Hohenzollernstraße nieder. 1913 sang er den Herodes in der »Salome« von Richard Strauss, seine Frau Jenny öffnete erstmals ihr Atelier für Gäste. Aber die Bühnenauftritte schwächten Bary und er widmete sich wieder mehr der Betreuung gemütskranker Menschen.

 

1914 übersiedelte das Ehepaar Bary aus der Schwabinger Mietswohnung in die Possartstraße 37, wo sie sich auf einem 670 Quadratmeter großen Grundstück eine Villa nebst großzügigem Atelier vom sächsischen Architekten Paul Böhmer errichten hatten lassen. Aber sie blieben nur ein halbes Jahr dort wohnen - ihre Freundin und Gönnerin Erna Wessels hatte direkt neben ihnen, in der Possartstraße 35, eine imposante Villa errichten lassen, in der sie nun im Parterre gemeinsam mit ihr wohnten. Aber man sollte nicht zur Ruhe kommen: Aufgrund der hochgradigen Kurzsichtigkeit Barys verlängerte die königliche Hofoper den Vertrag mit dem Heldentenor 1918 nicht mehr. Alfred von Barys Singstimme war von da an nur noch in der Bogenhauser St. Georgs-Kirche zu hören. Es stellten sich jetzt ernsthafte Existenzängste ein, denn man wusste nicht, ob angesichts steigender Inflation nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, in der Erspartes immer weniger wert wurde, das ersungene Vermögen ausreichen würde.  Zu allem Unglück wurde bei Jenny auch noch Krebs diagnostiziert, sie starb am 16. August 1922.

 

Vier Jahre später verstarb der mittlerweile nahezu erblindete Alfred von Bary nach zwei Schlaganfällen am 13. September 1926 im Alter von nur 53 Jahren. Das Grab der Familie Bary liegt auf dem Waldfriedhof in München, eine Straße in Obermenzing ist nach ihm benannt.

 

 

 

Literatur:

Bary, Roswitha von: Alfred von Bary. Ein Sängerleben in Dresden, Bayreuth und München, Leipzig 2000.

 

Abbildungen:

Dr. Alfred von Bary, o.J.

Alfred von Bary in der Rolle des »Tristan«, o.J.