/// Staatsrat Ernst Rattenhuber (1887) - 1951)

Ein markanter Englschalkinger Bürger und Bayerns erster Vertreter in Bonn

 

 

Für Englschalking und den kleinen Friedhof der Nikolauskirche war es wohl ein einmaliges Ereignis, als am 19. November 1951 der Staatsrat Ernst Rattenhuber im Beisein einer so großen Anzahl bedeutender Persönlichkeiten aus Politik und Gesellschaft beerdigt wurde. Der bayerische  Ministerpräsident Hans Erhard, die Bundesminister Hellwege und Kaiser, Landtagspräsident Alois Hundhammer, Kronprinz Rupprecht mit weiteren Mitgliedern des Hauses Wittelsbach und viele Vertreter verschiedener Vereinigungen gaben dem Englschalkinger Landwirt die letzte Ehre. Besonders  nach dem 2. Weltkrieg hatte er sich als Gründungsmitglied der CSU und Vertreter Bayerns beim Bund großes Ansehen erworben. Sein Lebenswerk wird wohl am besten in dem liebevollen Nachruf gewürdigt, den Bundesminister Niklas im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt“, 141. Jahrgang, Nr.47, veröffentlichte:

 

"Staatsrat Rattenhuber zum Gedächtnis

So lebendig steht sein Bild vor unserem geistigen Auge, dass es schwer fällt, mit dem Gedanken an ihn die Vorstellung des Todes zu verbinden. Denn er war das Leben! Er kannte keine Ruhe. Mit unendlichem Fleiße und nimmermüder Zähigkeit ging er an all die Aufgaben, deren Lösung ihm aufgetragen war, von frühester Jugend an bis zu seinem Tode.

 

1887 als Spross eines uralten bayerischen Geschlechts geboren, galt von Anfang an der Landwirtschaft sein besonderes Interesse. In Weihenstephan war er ein ebenso Lernbeflissener wie als Angehöriger des Corps Donaria ein fröhlicher Student. Der frühe Tod des Vaters legte ihm die Führung des großen elterlichen Besitzes auf und das Vertrauen seiner Verwandten berief ihn zum Leiter der Wagnerschen Erbengemeinschaft, der ein erheblicher Teil der Grundstücke im Osten von München zu eigen war. Die vorbildliche Erschließung des Münchner  Ostens für die notwendige Entwicklung der bayerischen Landeshauptstadt ist nicht zum geringsten sein Verdienst.

 

Er war ein Pferdekenner und Liebhaber des Pferdesports, wie man es selten findet. Sein Einjährigenjahr hat er bei den Königs-Chevauxlegers in Augsburg gedient, dem er dann als Reserveoffizier angehörte. Im zivilen Leben war er der große Förderer des Trabrenn- und Galopp-Sportes. Es gab keine Veranstaltung in Riem oder Daglfing, der er nicht beiwohnte, und in den Verwaltungsorganen dieser beiden Rennvereine sowie in der Leitung des Vereins zur Förderung der Pferdezucht in Bayern spielte er eine ausschlaggebende Rolle.

 

Während des 1. Weltkrieges trat er als Adjutant des Prinzen Franz von Bayern in nähere Beziehung zum Königshaus.  Man erkannte hier seine großen Kenntnisse und so kam es, dass er bis zu seinem Tode maßgeblichen Einfluss auf die landwirtschaftlichen Betriebe des Hauses Wittelsbach hatte. Ihre gute und beispielhafte Führung ist nicht zuletzt ein Verdienst Rattenhubers.

 

Während des 2. Weltkrieges bekleidete er die so bedeutsame Stellung des Wirtschaftsreferenten beim Generalkommando in Nürnberg. Man muss die Urteile führender fränkischer Landwirte gehört haben, um ermessen zu können, welch’ segensreiche Tätigkeit er hier entfaltete.

 

Die größte Aufgabe seines Lebens stand ihm bevor, als er nach dem Zusammenbruch mit der Leitung des Bayerischen Amtes für Ernährung und Landwirtschaft betraut wurde. Man muss sich klar machen, welche Riesenaufgabe es bedeutete, in diesem Chaos die Ernährung des bayerischen Volkes sicherzustellen. Das ihm eigene wirtschaftliche Können ließ ihn diese Riesenaufgabe meistern. Nach dem heute noch unverständlichen Sturze des Kabinetts Schäffer legte er die Hand nicht in den Schoß. Die Regelung der Arbeitsverhältnisse in der Landwirtschaft war nun zu einer brennenden Frage geworden. Als Vorsitzender der Bayerischen und dann der Bundesarbeitgeber-Vereinigung leistete er hier Hervorragendes.

 

Nun kam der Frankfurter Wirtschaftsrat. Es war wohl selbstverständlich, dass sein Heimatland  ihn in diese so bedeutsame Körperschaft entsandte, wo er mit seinem feinen Fingerspitzengefühl für wirtschaftliche Fragen sehr viel leisten konnte.

 

Dann entstand die Deutsche Bundesrepublik. Die Bayerische Staatsregierung legte mit Recht den größten Wert darauf, von Anfang an durch eine in Bonn sitzende bayerische Vertretung ihre Interessen zu wahren. Die Wahl des Leiters fiel zur Freude aller, die von dieser bayerischen Vertretung fruchtbare Arbeit auf allen wirtschaftlichen Gebieten erwarteten, auf Staatsrat Rattenhuber. Was er auf diesem schwierigen Posten leistete, das wird einmal die Geschichte feststellen. Es gibt keine Sparte der bayerischen Wirtschaft, die er nicht gefördert hätte, und wenn das am Rande unseres  Bundesgebietes liegende Bayern trotz vieler Hemmnisse in so ausschlaggebender Weise beim deutschen Wiederaufbau eingeschaltet wurde, dann ist es Rattenhubers großes, geschichtliches Verdienst.

 

Lieber Freund! Hunderte Deiner Bekannten und Mitarbeiter, Tausende bayerische Landsleute rufen Dir ins Grab: Ernst Rattenhuber, Dein Andenken sei gesegnet!" Bundesminister Dr. Niklas.

 

Dr. Till von Egidy

 

 

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