Villa Ruederer / Aufhäuser

Maria-Theresia-Straße 28

 

Im August 1907 kaufte der bekannte Münchner Schriftsteller Joseph Ruederer das 2290 Quadratmeter große Grundstück Maria-Theresia-Straße 28 von Clemens Freiherr von Bechtolsheim und wurde damit dessen unmittelbarer Nachbar (Villa Bechtolsheim, Maria-Theresia-Straße 27). Der Architekt Max Langheinrich (Mitarbeiter im Architekturbüro von Friedrich von Thiersch) hatte hier sieben Jahre zuvor eine Villa im neubarocken Stil errichtet.

 

Das Anwesen erhielt eine zentrale Halle, um die sich Wirtschafts- und Repräsentationsräume sowie das Arbeitszimmer des Hausherrn gruppierten. Im Obergeschoss waren die Schlafräume der Familie und unter dem ausgebauten Dach die Unterkünfte des Personals. Im Garten der Villa stand ab 1908 auch ein Brunnen mit einer Brunnenskulptur nach einem Entwurf von Prof. Eduard Beyrer (18661934). Diese wurde jedoch (wahrscheinlich nach dem Tod Ruederers im Jahr 1915) abgebaut. Durch eine Schenkung kam der Brunnen 1920 an die Stadt München und wurde in den Maximiliansanlagen aufgestellt. Das Original des »Buben mit der Feder« ist seit 1944/45 verschwunden, es wurde durch eine Kopie ersetzt.

 

 

1910

 

 

1917

 

 

Nach dem frühen Tod des Schriftstellers Josef Ruederer mit nur 54 Jahren erwarb 1917 das Bankiersehepaar Auguste und Martin Aufhäuser die Villa. 385.000 Mark zahlten sie für das Grundstück mit Wohnhaus, Terrasse, Garten und Pavillon. Martin, der älteste Sohn von Bankgründer Heinrich Aufhäuser, wurde 1901 mit 26 Jahren als Teilhaber in das Münchner Bankhaus seines Vaters aufgenommen. Er hatte davor eine Lehre in einer Frankfurter Privatbank absolviert. Sein jüngerer Bruder Siegfried stieg 1921 in die Familienbank ein und brachte hervorragende Verbindungen zu englischen Bankhäusern mit, die unter anderem die Bankkonten der Königlichen Familie führten. 1913 konnte die Bilanzsumme der H. Aufhäuser-Bank die 10-Millionen-Grenze überschreiten und zählte damit zu einem der umsatzstärksten Kreditinstituten Deutschlands. Heinrich Aufhäuser wurde von König Ludwig III. in Anerkennung seiner Verdienste der Titel eines »Königlichen Bayerischen Kommerzienrates« verliehen, berühmte Mitglieder der Münchner Gesellschaft wie die Familie von Thomas Mann zählten zur Kundschaft. Nach dem Tod von Heinrich Aufhäuser 1917 übernahm sein Sohn Martin die Bankgeschäfte, er erhielt 1926 den Titel »Geheimer Kommerzeinrat« verliehen – eine nur wenigen Großindustriellen und Großkaufleuten gewährte Auszeichnung.

 

 

Martin Aufhäuser

 

 

Nach der Beschädigung und Enteignung der Aufhäuser-Bank in der Löwengrube 18-20 während und nach der Pogromnacht vom 9./10. November 1938 (»Reichskristallnacht«) durch die Nationalsozialisten, und nachdem Martin Aufhäuser die Haftentlassung aus dem Konzentrationslager Dachau gelungen war, flüchtete das Ehepaar vollkommen mittellos im März 1939 ins Exil nach London, später in nach den Haag und Amsterdam. Das Haus ging 1940 für 120.000 Mark in den Besitz des »Reichskolonialbundes« über. Nach 1945 gehörte die stattliche Villa dem Land Bayern, das hier den Wetterdienst München unterbrachte, 1954 erwarb sie die Bayerischen Landesapothekenkammer von der Erbengemeinschaft der Familie Aufhäuser. Umfangreiche Um- und Anbauten in den Sechzigerjahren veränderten das Haus so stark, dass die ursprüngliche Form de Gebäudes heute nicht mehr zu erkennen ist.

 

 

 

 

 

 

 

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Literatur:

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