Die Tafernwirtschaft Grünwald von der Törringstraße aus zu sehen. Aquarell um 1840, vermutlich vom russischen Maler Josef Puschkin. Links im Hintergrund das Wohnhaus des Direktors der königlichen Sternwarte.
Die Tafernwirtschaft Grünwald von der Törringstraße aus zu sehen. Aquarell um 1840, vermutlich vom russischen Maler Josef Puschkin. Links im Hintergrund das Wohnhaus des Direktors der königlichen Sternwarte.

Betz’sche Gastwirtschaft, ehemalig

Ismaninger Straße 105

Bogenhausen

In Bogenhausen, an der Landstraße nach Ismaning, stand auf dem Areal zwischen heutiger Händel- und Törringstraße bis zum Jahr 1921 die berühmte Gastwirtschaft »Betz«, so benannt nach ihren Besitzern Joachim und Maria Betz, geb. Grünwald. Nach deren Tod übernahm ihr ältester Sohn Lorenz Betz das Anwesen samt Metzgerei. Er ließ 1898 bis 1900 einen großen Neubau durch die Architekten Paul Pfann und Günther Blumentritt errichten – der alte Baumbestand blieb erhalten.

Schon seit der Biedermeierzeit (Tafernwirt Anton Grünwald, Bogenhausen Hausnummer 1) war die Wirtschaft ein beliebter Ausflugsort der Münchner, war es doch hier am Stadtrand im schattigen Wirtsgarten aufgrund der niedrigeren Steuern für den Bierausschank um einiges billiger, den Durst zu stillen, als in der Hauptstadt. Für den Hunger gab es in der »Betz’schen Gastwirtschaft« sogar eine Hühnerbraterei und alljährlich zur Faschingszeit fanden rauschende Bälle statt. In der wärmeren Jahreszeit wurde in den Mai getanzt und Sommerfeste veranstaltet.

Als besondere Attraktion im »Betz’schen« Wirtsgarten galt ein Holzkarussell, das um 1820 in einem feststehenden, schindelgedeckten, zwölfeckigen Holzpavillon im Biergarten aufgestellt wurde. Es bestand aus einer ebenerdigen Plattform, auf der fünf Kutschen ziehenden Holzpferde sowie Dromedar, Steinbock und Widder befestigt waren. Angeschoben wurde das Karussell von einem darunter liegenden Keller aus von Hand. Nach Abriss des Karussells um 1920 kamen Figuren und Wagen ins Münchner Stadtmuseum. Soweit dort bekannt, handelt es sich um die weltweit ältesten erhaltenen Teile eines volkstümlichen Karussells.

Auch einen offenen Tanzpavillon hat es bereits in der Biedermeierzeit im Wirtsgarten gegeben. Er ist ganz rechts im Gemälde »Schönen Bogenhauserin« von Georg Wilhelm Wanderer (1803–1863) zu sehen.

Ein weiteres Kleinod aus der ehemaligen »Betz’schen Gastwirtschaft« kann noch heute in Au bei Bad Aibling besichtigt werden: die Barockkrippe von Gastwirt Joachim Betz (1821–1892). Die Auer stellen die mit vier Bildern wechselnde Krippe jedes Jahr vom ersten Advent bis zum Aschermittwoch aus. Mehr zur Historie der Krippe.

Nach der Eingemeindung Bogenhausens (1892) ziehen immer mehr »Betuchte« in das Viertel und es wird, diesem Umstand Rechnung tragend, 1898 bis 1900 vom Gastwirtsehepaar Anna und Lorenz Betz die alte Biedermeier-Gastwirtschaft abgerissen und an ihrer Stelle ein neuer, weitaus repräsentativerer Bau errichtet. Architekt war Paul Pfann, ein Schüler von Friedrich von Thiersch, unter Mitarbeit von Paul Wallot und Günther Blumentritt. Auch die Innenausgestaltung sowie Mobiliar wurden von den Architekten entworfen. Das Hauptgebäude mit seinem Halbwalmdach ist denkmalgeschützt und hat nach einer umfassenden Sanierung, in der der Originalzustand wieder hergestellt wurde, 2017 den Fassadenpreis der Landeshauptstadt München verliehen bekommen. Stand 2020 ist hier das Königlich Thailändische Generalkonsulat untergebracht.

Der Neubau von Pfann sah im Kellergeschoss die verschiedenen Vorratsräume, Eis- und Bierkeller, Heizraum, Waschküche, Schlachtraum und Wursterei vor. Im Erdgeschoss befand sich das Gastlokal mit Nebenzimmern, daran westlich anschließend eine kleinere Schwemme (Kneipe für Fuhrleute, Arbeiter und andere Niedrigverdiener). Von dieser aus konnte ein großzügiges sogenanntes Vereinszimmer betreten werden. Östlich des Gastlokals waren eine geräumige Küche mit einem Zimmer für den Wirt sowie die Gartenschenke untergebracht. Im Obergeschoss befanden sich ein Saal, dem fünf große Fenster an der Seite zur Törringstraße helles Tageslicht spendeten sowie zwei Gesellschaftszimmer. Eine stattliche Terrasse bot weitere Sitzplätze. Den Gartenbereich konnten die Gäste hier durch einen Treppenaufgang erreichen.

Vom Wohlstand der beiden Wirtsleute Betz Ende im ausgehenden 19. Jahrhundert und vom Bauboom in Bogenhausen zeugt auch deren Immobilienbesitz in der vornehmen Möhlstraße. Gleichzeitig mit dem Neubau der Gastwirtschaft lassen sie sich von Architekt Hans Seidl hier gleich drei Villen errichten, auf Haus Nr. 12a, Haus Nr. 14 und Haus Nr. 16, die sie sofort nach deren Fertigstellung wieder verkaufen. Zwei Jahre vor dem Neubau der Gastwirtschaft 1896 lässt sich Lorenz Betz außerdem sein privates Wohnhaus in der Händelstraße 1 von Baumeister Hans Hartl errichten.

Ein St.-Georgi-Brunnen, 1901 von Heinrich Düll und Georg Pezold, den Erbauern des Friedensengels, wohl im Zusammenhang mit dem Umbau der Wirtschaft geschaffen, steht noch heute im Hof des Eingangsbereichs der Togalwerke. Im Wirtshaus selbst gab es auch eine eigene sogenannte Millionärs-Trinkstube, wo sich die »heiligen drei Könige von Bogenhausen«, Bürgermeister Josef Selmayr, Ziegeleibesitzer und Gemeindeausschussmitglied Franz Kaffl und der Wirt Lorenz Betz, mit der übrigen Bogenhauser Prominenz zu treffen pflegte. Von der prunkvollen Ausstattung dieser Stube sind unter anderem sieben große Bildtafeln des Münchner Genremalers Franz Ringer erhalten, deren Motive Ausschnitte aus dem Alltagsleben von Bogenhausen und München wiedergeben können.

Die restaurierten Gemälde befanden sich bis März 2011 im Besitz der Firma Togal, an die im Jahr 1921 das gesamte Anwesen der »Betz’schen Gastwirtschaft« in einer Art Notverkauf der Familie Betz abgegeben wurde. Dann wechselten die 5100 Quadratmeter Togalwerk den Besitzer. Die Bayerische Hausbau – ein Unternehmen der Schörghuber-Gruppe – hat dort seit 2011 60 exklusive Wohnungen sowie auf 1500 Quadratmetern Büros errichtet. Den ausgeschriebenen Einladungswettbewerb für das Projekt »Wohnen und Arbeiten auf dem ehemaligen Togal-Gelände« hatte die LAUX Architekten GmbH München gewonnen. Baubeginn war Ende 2012, die Bezugnahme war 2017. Die Bayerische Hausbau warb unter dem Motto: Das Denkmal bleibt, das Togal-Werk weicht, »Lagot« kommt. Damit ist ein weiteres Stammgelände einer Münchner Traditionsfirma von der Bildfläche verschwunden. Teilweise wurden die alten Produktions- und Verwaltungsstätten zwischen der Ismaninger-, Törring- und Händelstraße abgerissen. Dazu gehören ein dreigeschossiges Fabrikationsgebäude, zwei Erweiterungsbauten und eine Garage.

Der neubarocke, unter Denkmalschutz stehende Hauptbau des ehemaligen Gasthauses blieb erhalten und wurde von Eigentümer Hans Belling – vertreten durch Braun und Partner Architekten – komplett saniert. Auch der denkmalgeschützte St.-Georgi-Brunnen blieb erhalten, ebenso wie die historischen Mauerpfeiler an der Händel- und Ismaninger Straße. Die Landeshauptstadt München schreibt zur Verleihung des Fassadenpreises 2017:

»Neben umfangreichen Putz- und Stuckergänzungen wurde auch die einst vorhandene Terrasse mit dem eckbetonenden ›Salettl‹ nach historischen Plänen und Fotos rekonstruiert. Die falsch geteilten Fenster sind vorbildlich und detailgetreu durch neue Kastenfenster ersetzt worden. Sowohl die Farbigkeit der Fenster, als auch die der Fassade beruhen auf einer Befunduntersuchung. Die Erneuerung der Dacheindeckung erfolgte stilgerecht mit naturroten Biberschwanzziegeln.«

Quellen:

Karl, Willibald (Hrsg.): Bogenhausen. Vom bäuerlichen Pfarrdorf zum noblen Stadtteil, München 1992.

Wöhler, Max: Gasthäuser und Hotels, Band II: Die verschiedenen Arten von Gasthäusern, Leipzig 1911.

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