Mit der regen Bautätigkeit in Bogenhausen seit der Jahrhundertwende setzte auch ein rasches Wachstum der Pfarrgemeinde St. Georg ein. Schon vor Beginn des Ersten Weltkrieges reiften daher Pläne für einen Kirchenneubau. Als Standort wurde mal ein Platz neben der Gebeleschule, dann wieder ein Erweiterungsbau oder Umbau der alten St.-Georgs-Kirche erwogen. Schließlich kam es, mehr als 20 Jahre später, zur Errichtung der Kirche am jetzigen Standort. Das Grundstück am damaligen Secchiplatz war eine Schenkung der Stadt München. Die Pläne für die Kirche entwarf Hans Döllgast, der damals eine Dozentenstelle an der Technischen Hochschule München hatte.
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Katholische Pfarrkirche Heilig Blut
Scheinerstraße 12
Bogenhausen
Weiterführende Informationen

In München wurden unter nationalsozialistischer Herrschaft mehr als 20 neue Kirchen und Gemeindehäuser beider Konfessionen errichtet. Diese erstaunlich hohe Anzahl ist damit zu erklären, dass in den äußeren Stadtvierteln in den 1920er- und 1930er-Jahren ausgedehnte Wohnsiedlungen entstanden und somit auch der Bedarf nach neuen Gemeindekirchen. In Bogenhausen, einem typischen Villen- und Einfamilienhäuserviertel, errichtete man in dieser Zeit gleich zwei neue Kirchen: die katholische Pfarrkirche Heilig Blut und die evangelische Dreieinigkeitskirche (1937 fertig gestellt).
Vom ersten Spatenstich (18. März 1934) über die Grundsteinlegung (25. Mai 1934) bis zur feierlichen Einweihung (1. November 1934) der Kirche Heilig Blut durch Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber vergingen nicht einmal acht Monate. Erster Pfarrer der neuen Kirchengemeinde war Max Blumschein, der bereits seit 1916 in St. Georg seelsorgerisch tätig war. Mit der Einweihung der neuen Kirche ging die alte Pfarrei in den neuen Seelsorgebezirk Heilig Blut mit ein. Architekt Hans Döllgast entwarf das Gotteshaus in einer Mischung aus traditionellen Architekturformen und modernen Elementen. Mit dem seitlich gestellten Turm, dem Satteldach und den Rundbogenfenstern erinnert es an ländliche Kirchenbauten, während die weißen, schmucklosen Wandflächen in ihrer Schlichtheit und Geradlinigkeit von einer moderneren Architekturauffassung verkünden. Die fensterlose Giebelfront mit dem Haupteingang ist mit einem Mosaik von Günther Grassmann geschmückt. Es besteht aus geschliffenen Natursteinen und zeigt zwei Engel, die das Schweißtuch Christi mit einem Bildnis des Heilands halten. In der Ecke ist das Wappen des Münchner Erzbischofs und Kardinals Michael von Faulhaber dargestellt.

Heilig Blut ist als dreischiffige Hallenkirche gestaltet, die durch 14 schlanken Rundsäulen aus schalungsrauem Beton gegliedert wird. Sie trugen eine flache Stuckdecke. Den Glockenturm hatte Döllgast ursprünglich als Spitzturm gestaltet (siehe Bildergalerie links).


Turm und Stuckdecke sind heute nicht mehr erhalten. In der verheerenden Bombennacht vom 2. auf 3. Oktober 1943 wurde die Kirche bis auf ihre Mauern zerstört. Auch der Wiederaufbau, bereits zwei Jahre nach der Währungsreform, 1950, erfolgte unter der architektonischen Leitung von Hans Döllgast. Eine größere bauliche Veränderung ergab sich bei der Neuerrichtung des Turms. Der Glockenstuhl, der beim früheren Spitzturm tiefer als die Giebellinie der Kirche gelegen war, wurde 10 Meter höher gesetzt und der Turm mit einem Satteldach abgeschlossen. Statt der Stuckdecke wurde jetzt eine glatte Holzdecke eingezogen. Diese ist mit Kreuzen und lateinischen Inschriften bemalt, was wiederum an die 1935 in München-Sendling eingeweihte und ebenfalls von Hans Döllgast entworfene katholische Kirche St. Heinrich erinnert.


Das Gemälde in der Altarnische (1934 von Kunstmaler Prof. Albert Burkart entworfen) erinnert an Renaissancebilder des 16. Jahrhunderts. Dargestellt ist Christus mit zwei Engeln, die das aus seiner Seitenwunde fließende Blut auffangen. Künstlerisch besonders bemerkenswert sind in der Kirche Heilig Blut:
- die Ölberggruppe von Oswald Hofmann an der nördlichen Außenwand
- Holzstatue »Maria Immaculata«, Prof. Theodor Georgii zugeschrieben
- der aus Silber getriebene Tabernakel, von Johan Michael Wilm nach Art einer Bundeslade gestaltet
- das Kriegergedächtniskreuz von Josef Henselmann
- Altarraumgestaltung von Max Faller mit Steinaltar (Mensa) und Tabernakel (1979)
- Skulptur »Heiliger Franziskus« von Klaus Backmund (1981)

An der Kirche Heilig Blut war der Widerstandskämpfer Hermann Wehrle 1942 bis 1944 Stadtkaplan. Josef Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., war in den Jahren 1951 und 1952 Kaplan in der Pfarrei Heilig Blut und hat an der Gebeleschule als Lehrer unterrichtet.
In den Jahren 2009 bis 2010 wurde aus Anlass des 75-jährigen Bestehens von Heilig Blut die denkmalgeschützte Kirche renoviert (Architekturbüro Peter Pongratz) und unter anderem ein neues gläsernes Eingangsportal an der Westseite – hergestellt in der Mayer’schen Hofkunstanstalt – angeschafft. Prof. Josef Alexander Henselmann, schuf diese markante, in flammenden Rot leuchtende Tür sowie eine Erinnerungsbüste an Pater Alfred Delp, das Engelgitter und einen neuen Taufstein. Zum Portalkunstwerk gehört auch die Widmung: »Joseph Ratzinger, Kaplan in Hl. Blut, 1951-52« ist oben in den linken Türflügel geätzt. »Deus Caritas Est, Benedikt XVI.« steht im rechten. Der spätere Papst, dessen erste Enzyklika den Namen »Gott ist die Liebe« trug, hatte als junger Mann in Heilig Blut gearbeitet. Es war seine allererste Kaplanstelle nach der Priesterweihe.



Textquellen:
Pfarramt Heilig Blut: 1934–1984, 50 Jahre Heilig Blut München Bogenhausen; https://www.erzbistum-muenchen.de/cms-media/media-11033020.PDF
https://vielfaltdermoderne.de/muenchen-katholische-pfarrkirche-heilig-blut