Blick in die Leutweinstraße um 1935. Am Ende der Straße ist das 1953 abgerissene Kirchlein St. Georg (Schutzengelkapelle) zu sehen. Quelle: Stadtarchiv München
Blick in die Leutweinstraße um 1935. Am Ende der Straße ist das 1953 abgerissene Kirchlein St. Georg (Schutzengelkapelle) zu sehen. Quelle: Stadtarchiv München

„Afrika“-Siedlung

Zamdorf

Auch „Kolonialsiedlung“, ursprünglich „Erwerbslosensiedlung Zamdorf“ genannt. Die Siedlung liegt um den Emin-Pascha-Platz, die Wißmann-, Dominik-, Gröben-, Leutwein-, Ida-Pfeiffer- und Lüderitzstraße in Zamdorf. Erbaut ab 1934, erhielt die Siedlung ihren volkstümlichen Namen 1935 nach für die damalige Zeit verdienstvollen Kolonialpionieren.

So erhielt zum Beispiel die Rohlfsstraße ihren Namen nach dem Afrikaforscher Gerhard Rohlfs (1839–1896), der erstmals die Sahara in Nord-Süd-Richtung durchquerte. Andere Benennungen gelten heute als umstritten. So gilt Major Hans Dominik inzwischen als nicht mehr würdig für eine Straßennennung. Der Major „befriedete“ Kamerun, man spricht auch von Kameruns Schreckensherrscher. Als die Straße 1932 seinen Namen erhielt (Dominikstraße), sah man das noch anders und erkannte seine „Verdienste um die Erforschung und Befriedung der einstigen deutschen Kolonie Kamerun“ an.

Der Münchner Stadtrat bemüht sich um Entkolonisierung von Straßennamen. So wurde auf Antrag des Bogenhausener Bezirksausschuss im Juni 2000 beschlossen, die frühere Karl-Peters-Straße (benannt 1932 nach dem Afrikaforscher Carl Peters (1856–1918), der für das Deutsche Reich die Kolonie Deutsch-Ostafrika erwarb), in Ida-Pfeiffer-Straße umzubenennen. Patin dafür stand die Reiseschriftstellerin Ida Pfeiffer (1797–1858). Bis heute finden aber immer wieder Diskussionen über die Straßennamen in den „Kolonialvierteln“ statt. Die einfachste Lösung fand man zunächst bei der Von-Trotha-Straße (in Waldtrudering), indem man einfach die Interpretation änderte. So erinnerte die Straße nicht mehr an den Völkermörder Generalleutnant Lothar von Trotha (1845–1920), der bei der Niederschlagung des Herero-Aufstandes im Jahr 1904 im damaligen Deutsch-Südwestafrika (heute Namibia) als Hauptverantwortlicher eine grausame Rolle spielte, sondern an die Adelsfamilie von Trotha. Im Juli 2006 hat der Kommunalausschuss des Münchner Stadtrats mit den Stimmen von Grünen und SPD und gegen den Willen nahezu aller Anwohner die Straßenneubenennung der Von-Trotha-Straße in Hererostraße beschlossen.

Von weiteren Umbenennungen wurde bewusst abgesehen, obwohl namentlich die Rohlfs-, Wißmann- und Dominik-Straße problematisch sind. Im Bemühen um Entkolonialisierung von Straßennamen stimmte der Münchner Stadtrat im Februar 2009 für die Anbringung erklärender Zusatzschilder („Kolonialgeschichte offenlegen“). Auf diese Weise soll an die kaum bekannte und oft verharmloste Epoche der deutschen Kolonialzeit mahnend erinnert werden.

Auszug aus der „Münchner Zeitung“, 30. August 1934, Eine „Kolonialsiedlung“ im Entstehen:

„Neues umfangreiches Baugelände wurde in den letzten Wochen im östlichsten München erschlossen und aufgeteilt. Es dehnt sich auf der Zamdorfer Flur diesseits und jenseits der alten ländlichen Ortschaft aus. Die gesamte Fläche bietet Bauplätze für mehrere hundert Siedlungsstellen.

An der Weltenburger Straße grenzt das neue Siedlungsgelände unmittelbar an die bekannte Reichskleinsiedlung Zamdorf, die nach den Namen der dafür vorgesehenen Straßen als „Kolonialsiedlung“ abgesprochen werden darf. Den Zugang dazu vermittelt der Emin-Pascha-Platz, dann folgt die Wißmann- und die Dominikstraße, durchwegs Namen von verdienstvollen Kolonialpionieren. Diese neue Siedlung hat sich bereits gut entwickelt. Etwa ein Dutzend Neubauten sind schon entstanden. Viele andere werden noch folgen, da zahlreiche Bauplätze schon in festen Händen sind, vorerst aber noch als Gärten genutzt werden.“

Die ersten Neubauten der Zamdorfer Kolonialsiedlung entstanden im Herbst 1934, während die anderen Bauplätze noch als Gärten genutzt wurden. Im Laufe der nächsten Jahre errichtete man ca. 140 Kleineigenheime, davon 61 Doppelhaushälften unter Inanspruchnahme des Arbeitsbeschaffungsprogramms für minderbemittelte Familien. Die Baukosten für die Doppelhäuser betrugen rund 417.000 Reichsmark, pro Haus durchschnittlich 2.650 Reichsmark. Sie wurden für 28 Reichsmark im Monat an „befürsorgte“ Familien vermietet. Mit ausgebautem Dach betrug die Wohnfläche ca. 53 qm, wovon die Wohnküche 11,7 qm, das Schlafzimmer 9,3 qm, das Kinderzimmer 5,4 qm maß. Als sanitäre Anlage diente ein Trocken-WC. Der 200 qm große Garten wurde zum Gemüseanbau und zur Kleintierhaltung genutzt, während des Zweiten Weltkriegs wurden dort Schweine, Ziegen, Hühner und Hasen gehalten. Im Jahre 1942 lebten in den Doppelhäusern 803 Personen in 124 Haushalten, die durchschnittliche Kinderzahl betrug 5,1. 24% der Eltern hatten über sieben Kinder, in ca. 89% der Haushalte lebten fünf und mehr Personen, viele Mieter beherbergten verbotenerweise noch Untermieter. Ab dem Jahre 1962 wurden die Häuser an ihre Bewohner verkauft, der Verkaufspreis variierte von 5.000 DM bis 9.600 DM.

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