Der ehemalige Ellwangerhof an der Freischützstraße

Ein erster Bebauungsplan mit Grünordnung für das Gelände der alten Ziegelei Ellwanger in Johanneskirchen wurde im Mai 2003 aufgestellt. Zur der Zeit stand noch das Wohnhaus für die Arbeiter aus dem Jahre 1905, der zu einem Mehrfamilien-Wohnhaus umgebaute ehemalige Bauernhof (Freischützstraße 76), und einige Nebengebäude. Zudem befand sich auf dem Grund ein „Autotandler“. Die Ziegeleigebäude waren längst abgebrochen, da die Ziegelei schon seit dem Jahre 1910 nicht mehr in Betrieb war. Die Trockenstadel standen noch bis 1929. 

 

 

Reste der Wohngebäude der ehemaligen Ziegelei Ellwanger

 

 

Während der Gründerzeit, also in den Jahren um 1870 bis zum Ersten Weltkrieg 1914, blühte durch das große Wachstum Münchens das Ziegeleigeschäft so, dass jeder größere Bauer, dessen Hof auf der Lehmzunge lag, seine eigene Ziegelei eröffnete. Unter Leitung eines Ziegelmeisters (auch Ziegeleiakkordant genannt) arbeiteten (meist italienische) Saisonarbeiter und Einheimische in den Ziegeleien. Auf Johanneskirchner Grund befanden sich insgesamt vier Ziegeleien. Für die Anstellung und Unterbringung der Saisonarbeiter hatten die Ziegeleibesitzer seit Anfang des 20. Jahrhunderts einige Auflagen zu beachten, wie zum Beispiel den Bau von geeigneten Unterkünften. Die Verpflegung der Arbeiter erfolgte zum Teil in fabrikeigenen Kantinen. Nachdem alle Lehmvorräte in der Gegend um Johanneskirchen abgebaut waren, stellten die Ziegeleien ihren Betrieb ein. 

 

Die Geschichte der Ziegelei Ellwanger begann 1889, als der Ökonom Michael Seeholzer die ersten Gebäude Wohnhaus mit Stallungen und Ziegelbrennofen mit Ziegelstadel errichtete. Das Anwesen erhielt die Hausnummer 21 in Johanneskirchen, später Flaschenträgerstraße 85, dann Freischützstraße 76/78. Im Jahre 1889 produzierte er mit seiner Ziegelei schon jährlich 800.000 Ziegelsteine. Danach wurden folgende Veränderung vorgenommen: Verlängerung der Stallung und Waschhausanbau und Errichtung von 2 Zimmern im Heuboden. Im Jahre 1901 tauschte Seeholzer das Anwesen (Wohnhaus mit Stall und Stadel, Ziegelofen mit angebautem Trockenstadel, 2 freistehende Trockenstadel, Wurzgärtchen, Hofraum mit Brunnen) mit Willibald Polacek gegen dessen Haus No. 9 in der Bazeillestraße in München.

 

1902 wurde der Besitz für 70.000 Mark, inklusive 10.000 Mark für Mobiliar, von Josef Ellwanger, Realitätenbesitzer aus München, gekauft. Ellwanger errichtete ein Arbeiterwohnhaus und ersuchte im gleichen Jahr um eine Konzession zum Kantinenbetrieb auf seinem Anwesen. Die Ziegelei betrieb er bis zu seinem Tode im Jahr 1910. Den Besitz erbten seine Frau Anna Ellwanger und die neun Kinder. 

 

Über die Planungen für das Gebiet unterrichtete man im September 2005 die Bürgerinnen und Bürger der umliegenden Häuser. Im Planungsgebiet sollte entsprechend des Flächennutzungsplanes ein allgemeines Wohngebiet entstehen. In den beiden nördlichen Bauräumen waren Geschosswohnungsbauten mit ca. 240 Wohnungen vorgesehen, der südliche Teil für die Unterbringung von Läden (Lebensmitteldiscounter). Um den Bedarf an sozialen Infrastruktureinrichtungen zu decken, war noch ein erdgeschossiger Kindergarten mit zwei Gruppen geplant. Zur öffentlichen Erörterung durch das Baureferat in der Grundschule an der Regina-Ullmann-Straße kamen ca. 70 interessierte Zuhörer. Im Gegensatz zu den alten Plänen von 1979, die eine Bebauung mit niedrigen Wohnblocks, Doppel- und Reihenhäusern vorsahen, werden nun lange, fünf bis sechs Etagen hohe Riegel errichtet. In der Begründung dazu hieß es: „Die heutigen Lärmschutzrichtlinien ließen eine Bebauung nach den alten Plänen nicht mehr zu.“ Insgesamt 20.300 Quadratmeter Geschossfläche dürfen auf dem 23.140 Quadratmeter großen Areal verwirklicht werden. 

 

 

Freischützstraße 76/78 (2008)

 

 

Freischützstraße 76/78 (2008)

 

 

Bis 2008 konnte man den alten Hof vom S-Bahn-Bahnsteig noch gut sehen und bis Anfang 2011 stand noch das Arbeiterhaus, zwar entkernt und ohne Dacheindeckung, aber mit großer Werbetafel der MÜNCHENBAU: „1- bis 5-Zi.-Wohnungen! Verkaufsstart demnächst!“ Heute ist das Bauvorhaben so gut wie beendet, die meisten Wohnungen sind bereits bezogen und nichts erinnert mehr an den Ellwangerhof oder die einstige Ziegelei.

 

 

Bebauung Freischützstraße 76/78 (Oktober 2011)

 

 

 

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Text und Aquarell oben (Ellwangerhof) aus: Karin Bernst, Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten, Kalender 2012, München 2012.

Fotos von oben nac h unten: 

das Areal der ehemaligen Ellwanger-Ziegelei an der Freischützstraße. Rechts die Reste der Wohngebäude © roland krack, 2008

Bebauungsstart an der Freischützstraße 76/78 im Herbst 2008 und im Oktober 2011 ©  hpt © Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V.