Doppelhausvilla

Kolbergerstraße 31/33

 

Münchens produktivster Architekt um die Jahrhundertwende, der Thüringer Paul Böhmer, errichtete 1908 die malerische Doppelvilla in der Kolbergerstraße für Hermann Graf zu Castell-Rüdenhausen (18721941). Das Grundstück für das Bauvorhaben hatte dessen Frau Freda Gräfin zu Castell-Rüdenhausen erworben.

 

 

1908

 

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg erteilten die amerikanischen Besatzungsbehörden dem Berliner Modeschöpfer Heinz A. Schulze (19071985; ab 1953 Schulze-Varell) am 22. April 1948 die Genehmigung zur Führung einer Damenschneiderei in der gräflichen Villa. Schulze war für die Amerikaner politisch unproblematisch, weil er die Treueerklärung an den »Führer« verweigert hatte und als Folge dessen zum Militärdienst eingezogen worden war. Mit dieser Konzession konnte das Ehepaar Schulze ihre Modenschauen, die sie bislang in der Jugendstilvilla der Gebrüder Reischenbeck in der Maria-Theresia-Straße 21 gezeigt hatten, in einem eigenen Raum vorführen. Diesen gestaltete der Freund des Modeschöpfers, Gert Uetscher, mit »Pfauenfederleuchten, einem blinden Spiegel, einem roten Teppich und Girlanden aus Asparagus aus«. Man versuchte wohl, in den harten Nachkriegsjahren ein wenig exotischen Flair für die Modeschauen zu verbreiten ... Im Oktober 1948 erwarb Schulze bereits einen weiteren Raum in der Villa, einen Salon mit Stuckaturen, in dem er für die Kundinnen kleine stoffbezogene Eisenstühlchen aufstellen ließ. Und zwei Jahre später konnte er drei weitere Räume ankaufen, die er als Umkleideräume für Mannequins und Kundinnen nutzte sowie die große Halle im Erdgeschoss der Villa für Vorführungszwecke. Im Nebenhaus (Nr. 33) waren die inzwischen 50 Schneiderinnen und Näherinnen sowie drei Schnittdirektricen untergebracht – der »Architekt der Mode« wie ihn eine Modezeitschrift betitelte konnte wieder an seine Erfolge im Berlin der Vorkriegsjahre anknüpfen. In den 1960er-Jahren gingen die Aufträge von Privatkundinnen aber stark zurück. Während sich die Pariser Couturiers aus diesem Grund mehr auf hochwertige Konfektion, das sogenannte Prêt-à-porter konzentrierten, verkleinerte Schulze-Varell im Mai 1978 seinen Salon, der sich mittlerweile in der Prinzregentenstraße befand und arbeitete nur mehr für einen kleinen Kreis von privaten Kundinnen bis zu seinem Tod 1985 weiter.

 

2014 bis 2016 erfolgte durch den Bauherren euroboden GmbH eine Sanierung der denkmalgeschützten Villa, die nicht unumstritten blieb: siehe http://www.unser-bogenhausen.de/2015/03/kolbergerstrasse-31-denkmal-oder-was/

 

 

>> zum Überblick »Villen« im Münchner Nordosten

 

 

 

 

Literatur:

Abbildungen von oben nach unten: