Carl August Lebschée: »Das astronomische Gebäude«, Lithografie aus »Malerische Topographie des Königreiches Bayern«, 1830. Der etwas vorspringende mittlere Teil, der Meridiansaal, beherbergte drei Passageinstrumente. In der östlichen Kuppel (re.) befand sich das Äquatorial, die westliche (li.) diente der Aufstellung transportabler Instrumente.
Carl August Lebschée: »Das astronomische Gebäude«, Lithografie aus »Malerische Topographie des Königreiches Bayern«, 1830. Der etwas vorspringende mittlere Teil, der Meridiansaal, beherbergte drei Passageinstrumente. In der östlichen Kuppel (re.) befand sich das Äquatorial, die westliche (li.) diente der Aufstellung transportabler Instrumente.

Universitäts-Sternwarte

Scheinerstraße 1

Bogenhausen

»Die Lage des Observatoriums ist so günstig und frey, als sie in einer ebenen Gegend nur immer seyn kann. Sie steht, nordöstlich von der Stadt, bey dem Dorfe Bogenhausen, auf einer an sich unbedeutenden Anhöhe, die aber doch so ist, daß man über die Häuser des Dorfes wegsieht, ohngeachtet die nächsten nur dreyhundert Schritte davon entfernt stehen. Nichts verhindert die Aussicht im ganzen Horizonte, als die hohen Thürme der Stadt, der Kirchthurm von Bogenhausen, und was natürlich hier unvermeidlich ist, die südliche kolossale Gebirgskette, …«  

Dies schrieb Carl August Lebschée 1830 in seiner »Malerischen Topographie des Königreichs Bayern«. Die Sternwarte in der Nähe des damaligen Dorfes Bogenhausen hatte gerade gut zehn Jahre zuvor ihren  Betrieb aufgenommen.

Vorgänger dieser Sternwarte im Zusammenhang mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften waren das Observatorium in der heutigen Prinzregentenstraße (Höhe Haus der Kunst), in den Jahren 1760–1769/79 und das Observatorium auf dem Gasteig (1773–1778), dort wo heute das Münchner Kulturzentrum steht. Da aber kein hauptamtlicher Astronom zur Verfügung stand, war beiden keine lange Lebensdauer beschieden. Im Jahr 1803 schließlich ließ die Bayerische Akademie der Wissenschaften ein kleines Observatorium im Jesuitenkolleg, in der heutigen Neuhauser Straße, errichten. Das Observatorium im Zentrum Münchens diente ausschließlich den Zwecken der Landesvermessung und kann als die Keimzelle der Sternwarte in Bogenhausen bezeichnet werden.

Zwei Jahre später gab Kurfürsten Max IV. Joseph den Auftrag eine größere Sternwarte zu bauen und die vorhandenen Instrumente wurden in eine „hölzerne Hütte“ auf dem dafür vorgesehenen Standort zwischen Ramersdorf und Haidhausen (heute: Ostbahnhofgelände) transportieren. Aber es blieb bei diesem Provisorium und sollte noch bis 1816 dauern, ehe der erste Spatenstich für ein neues astronomischen Gebäudes erfolgte, allerdings an einem anderen, geeigneteren Ort. Man wählte eine kleine Anhöhe östlich des Dorfes Bogenhausen, die sich inmitten eines flachen, nur mit Wiesen und Feldern bestellten Geländes befand. Fertig gestellt wurde das unter der technischen Leitung von Hofbauinspektor Franz Thurn im klassizistischen Stil errichtete Gebäude im Jahr 1817, im Laufe des Jahres 1819 begann der astronomische Betrieb.

Der erste Direktor der Sternwarte, Johann Georg von Soldner (Amtszeit 1819 bis 1833), bezog die neuen Instrumente für die Bogenhauser Sternwarte von den damals weltberühmten optisch-feinmechanischen Werkstätten von Reichenbach und Fraunhofer. Mit dem von Reichenbach entwickelten Meridiankreis begann 1819 die Arbeit. Die »Königliche Sternwarte zu Bogenhausen« war das instrumentell bestausgestattete Observatorium der Welt und Fraunhofer konnte mit Unterstützung Soldners den Grundstein für die Beobachtungsmethoden der modernen Astrophysik legen, die heute noch Gültigkeit besitzen. Die Sternwarte in Bogenhausen war die erste der Welt, an der spektroskopische Beobachtungen der Gestirne durchgeführt wurden – aber Direktor Soldner verkannte den Wert dieser Experimente und widmete sich lieber der klassischen Astronomie. Eine historische Chance war damit vertan.

Sein Nachfolger Johann von Lamont (Direktor 1833 bis 1879) erhielt 1835 ein Teleskop aus der Fraunhofer’schen Werkstätte, das leistungsfähigste seiner Zeit. Mit ihm machte Lamont im Jahre 1836 Ortsbestimmungen des Kometen Halley, die bei der Wiederkehr des Kometen, 150 Jahre später, wichtige Informationen für den Satellitenflug der Raummission Giotto lieferten. Das Instrument wurde in einem eigens auf dem Gelände der Sternwarte 1835 errichteten Gebäude untergebracht, das zunächst mit einem flachen, zu öffnenden Dach versehen war. (Die Kuppel erhielt das Gebäude erst Ende 1858). Der Fraunhofer’sche Refraktor war bis 1969 in Betrieb und steht noch heute in seinem historischen Gebäude im Park der Sternwarte.

Nach nur fünf Jahren erlahmte jedoch Lamonts Interesse am systematischen Arbeiten mit dem Refraktor, und er widmete sich mehr Meteorologie und erdmagnetischen und anderen verwandten physikalischen Untersuchungen. Möglich wurde dies durch den Bau eines unterirdischen Observatoriums 1840, das durch das Hauptgebäude der Sternwarte erreichbar war. Ab da wurde an der Messung von Erd- und Telegraphenströmen gearbeitet sowie die meteorologischen Messungen intensiviert. Ab 1852 gab die Sternwarte täglich um 12 Uhr ein Zeitsignal an alle bayerischen Eisenbahn- und Telegraphenstationen weiter. Bis zum Zweiten Weltkrieg wurden alle amtlichen Uhren Bayerns nach den Signalen der Bogenhausener Sternwarte gestellt.

Lamont verstärkte die meteorologische Messungen und schuf ein meteorologisches Zentrum, dem die bayerischen Meteorologen ihre Auswertungen zusandten. Er gründete eine noch heute bestehende feinmechanische Werkstätte zur Entwicklung eigener Messinstrumente. Vor allem die magnetischen Instrumente aus Bogenhausen waren im 19. Jahrhundert bei Expeditionen in aller Welt begehrt. Nach 51 Jahren Arbeit an der Sternwarte starb Lamont 1879. Er liegt wie sein Vorgänger Soldner im Bogenhausener Friedhof begraben.

Hugo von Seeliger war sein Nachfolger, er übernahm 1882 die Leitung der Sternwarte und führte sie bis zu seinem Tod im Jahr 1924. In seine Amtszeit fällt der Bau eines neuen, mit den erforderlichen Instrumenten großzügig ausgestatteten erdmagnetischen Observatoriums (1899). Damit war auch der Startschuss für erweiterte geophysikalische Aktivitäten gefallen: So wurden unter anderem in den folgenden Jahren eine Erdbebenwarte eingerichtet und einige Außenstationen aufgebaut. Hauptarbeitsgebiet wurde jedoch wieder die Astronomie. Ein moderner, 1891 installierter Repsold’scher Meridiankreis löste sehr bald den Reichenbach’schen Meridiankreis als Hauptinstrument der Sternwarte ab. Am »Fraunhofer’schen Refraktor« gelang 1897 die Entdeckung eines kleinen Planeten, der nach der Stadt München »Monachia« genannt wurde.

Nach der 1892 erfolgten Eingemeindung Bogenhausens machte sich aber allmählich der Einfluss der expandierenden Stadt auf die praktische astronomische und geophysikalische Arbeit an der Sternwarte bemerkbar. Um die Jahrhundertwende hatte man bei der Projektierung der Possartstraße die Bedürfnisse der Astronomen noch berücksichtigt und diese Straße exakt in Nord-Süd-Richtung angelegt, um die Meridiankreisbeobachtungen nicht durch Häuser zu stören. Die fortschreitende Bebauung in der Umgebung und die damit einhergehende Straßenbeleuchtung führte jedoch zunehmend zur Aufhellung des Nachthimmels und erschwerte so vor allem fotografisches Arbeiten immer mehr. Auch die geophysikalischen Arbeiten wurden allmählich durch die Erschütterungen des wachsenden Straßenverkehrs in Mitleidenschaft gezogen und speziell der Ausbau des Straßenbahnnetzes (Ismaninger Straße) setzte dann 1927 den erdmagnetischen Messungen an der Sternwarte definitiv ein Ende.

Nach den starken Kriegszerstörungen begann – 1938 eingegliedert in die Ludwig-Maximilians-Universität – der Wiederaufbau und die Übernahme des Observatoriums am Wendelstein. Heute werden Beobachtungen mittels Satelliten und in Observatorien in klimatisch günstigen und dünn besiedelten Gebieten wie zum Beispiel Chile oder Texas durchgeführt und in der Sternwarte in Bogenhausen ausgewertet.

Dies geschieht in einem im Mai 1964 neu errichteten Institutsgebäude, das nach Abriss des fast 150-jährigen, von der Konzeption her diesen Anforderungen nicht genügenden historischen Sternwartgebäudes an dessen Standort seinen Platz fand. Nach über zweijähriger Bauzeit konnte am 10.1Oktober 1966 der Einzug erfolgen und die Arbeit in dem mit mehreren Elektroniklabors, einem Chemielabor, einer Feinmechaniker- und Tischlerwerkstatt und einer (für damalige Verhältnisse) beeindruckenden Rechenanlage versehenen Gebäude aufgenommen werden.

Literatur:

  • Dr. Reinhold Häfner: Die Universitäts-Sternwarte München im Wandel ihrer Geschichte, München 2003.
  • Roland Krack, „Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten“, Kalender 2002.

Quelle der Fotografien: mit dankenswerter Genehmigung der Universitäts-Sternwarte Bogenhausen

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